Liebe privilegierte Großstadtlinke,
während wir uns in unseren Szenevierteln sicher fühlen können, sind unsere Genoss*innen außerhalb der Großstädte täglich der Gefahr durch Faschist*innen ausgesetzt. In zahlreichen Kleinstädten in der Provinz kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf linke Aktivist*innen, migrantisch gelesene Personen und queere Menschen. Eben alle, die den Faschist*innen nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen. Von den Medien und der Politik wird das bestenfalls als Einzeltat verharmlost und ein politisches Tatmotiv ausgeschlossen, meist wird es aber komplett ignoriert.
Ein bekanntes Beispiel ist die Stadt Wurzen im Norden des Landkreises Leipzig. Die Stadt hat schon seit Jahrzehnten eine gewaltbereite Neonaziszene. Neonazistische Graffiti und Sticker prägen das Stadtbild. Den meisten Bewohner*innen Wurzens ist das egal, denn solange sie sich raushalten, droht ihnen keine Gefahr.
Als im September 2017 eine antifaschistische Demonstration stattfinden sollte, wurde von den Medien und den Bürger*innen ein Horrorszenario heraufbeschworen. Es hieß, die Antifa hätte sich nach dem G20 Gipfel Wurzen als neue Spielwiese ausgesucht und es sei mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu rechnen. Die Demonstrationsteilnehmenden wurden am Wurzener Bahnhof von mehreren Wasserwerfern, hunderten Cops und einem SEK-Trupp erwartet. Ein weiterer SEK-Trupp war in einer Seitenstraße versteckt. Dass am Ende alle Provokation und Gewalt von Faschist*innen ausging, ob in Zivil oder Uniform, fand in den Medien natürlich keine Beachtung. Die einzige „Straftat“, die von Demonstrant*innen begangen wurde, war, dass ein Mitglied der Partei „DIE LINKE“ einen Faschoaufkleber von einem Wahlkampfplakat ihrer Partei entfernt hat. Dafür gab es einen Platzverweis.
Im Dezember 2017 haben Faschist*innen im unteren zweistelligen Bereich unter anderem mit Golfschlägern eine Geflüchteten-Unterkunft am Markt gestürmt und auf die 3 Bewohner*innen, unter anderem eine schwangere Person, eingeschlagen. Ein politisches Motiv wurde von den Ermittler*innen ausgeschlossen. Die kurz darauf stattfindende Kundgebung, um darauf aufmerksam zu machen, wurde von vier vermummten Akteur*innen der Wurzener Rechtsradikalen Szene angegriffen. Diese waren mit zwei Macheten, einem Teleskopschläger und einem Baseballschläger bewaffnet. Da die Polizei jedoch lieber linke Demonstrant*innen gekesselt hatte, die lautstark darauf aufmerksam gemacht haben, konnten die 4, unter anderem ziemlich sicher Benjamin Brinsa, entkommen. Die Waffen bekam die Polizei nur auf Twitter zu Gesicht.
Das waren nur zwei Beispiele aus einer Stadt. Natürlich gibt es noch viele mehr, aber wir wollen den Beitrag nicht zu lang werden lassen. Rechte Gewalt ist in der Provinz, und zwar nicht nur in Sachsen, trauriger Alltag. Wenn Faschist*innen Jagd auf Menschen machen, wird das totgeschwiegen, aber wenn einer Faschokneipe die Scheiben eingeschlagen werden, schreiben die Medien von einer neuen Stufe der Gewalt. Marginalisierte Gruppen sind in Städten wie Wurzen, Bautzen, Dessau oder Thale täglich in Gefahr. Jedoch bringt es nichts, nur ab und zu mal zu einer Demonstration in die Provinz zu fahren, laut zu sein, und uns wieder in unser sicheres Szenekiez zu verpissen. Davon ändert sich rein gar nichts.
Wir müssen uns mit den Menschen vor Ort vernetzen und sie unterstützen. Sei es finanziell oder mit direkten Aktionen. Faschist*innen sind nicht an einer friedlichen Lösung interessiert, also müssen wir uns wehren. Wenn Faschist*innen angreifen, bringt es nichts, lautstark zu protestieren, sondern es muss zurückgeschlagen werden. Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Wir haben lange genug geredet, jetzt ist es an der Zeit, zu handeln. Antifa heißt Angriff, und das darf nicht länger eine Floskel sein, sondern muss endlich Realität werden. Verbaler Antifaschismus ist Quatsch, militant muss er sein!
Antifa heißt auch Landarbeit!
Für ein offensiven Antifaschismus!