Im Rahmen der NIKA-Kampange wurde folgender Redebeitrag bei der Kundgebung „United against Rechtsruck!“ am 22. Februar 2019 gehalten. Eine ausführliche Nachbereitung zu den Aktionen gegen AfD-Neujahrsempfang in Münster findet sich hier.
Nationalismus ist keine Alternative. Erst recht ist er keine Antwort auf den berechtigten Hass gegen die bestehenden Verhältnisse. Wir kämpfen für etwas besseres als die Nation!
Im September 2017 ist mit der AfD eine völkisch-nationalistische Partei mit über 10 Prozent in den Bundestag eingezogen. Ein Wandel im politischen Klima à la PEGIDA und Co erreichte damit eine neue Qualität. Selbst eine Regierungsbeteiligung der AfD ist zumindest in Sachsen nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Die AfD ist bei der Entwicklung einer autoritär abdriftenden Gesellschaft kein isolierter Akteur. Sie ist Teil eines Netzwerkes einer neofaschistischen Ideologie. Mit der AfD hat diese Sammelbewegung eine parlamentarische Vertretung und damit Zugang zu umfassenden Privilegien und Ressourcen. Sie professionalisiert und institutionalisiert sich, faschisiert Institutionen wie Polizei, Militär und Justiz von innen, und kann dank öffentlicher Gelder, Spenden und Mitgliedsbeiträgen expandieren. Wir wollen durch unseren entschlossenen Protest einer Normalisierung dieser Entwicklung entgegenwirken.
Die gemeinsame Ideologie dieser Sammelbewegung basiert auf dem vermeintlichen Abwehrkampf eines konstruierten homogenen Volkes. Die dabei ausgemachten Feinde kommen von einem wahnhaften „oben“, „außen“ und „innen“. Die AfD hetzt gegen ein vermeintliches Establishment, Geflüchtete und ohnehin schon prekarisierte Gruppen. Sie wollen jenen Gruppen staatliche Leistungen oder bürgerliche Rechte vorenthalten. Der neofaschistischen Ideologie geht es also nicht einzig um eine nationalistische Abgrenzung nach außen. Es geht auch um eine bis in die letzte Konsequenz getriebene Rationalisierung gültiger Normen. Sie beurteilen Personen und Gruppen nach ihrer Verwertbarkeit, Leistungsfähigkeit oder Angepasstheit. Ökonomische Widersprüche und Ungleichheiten werden in der AfD nicht als solche kritisiert, sondern kulturalisiert sowie völkisch, rassistisch und nationalistisch überschrieben.
Die Funktionsweisen dieser Ideologie sind simpel und bieten innerhalb der herrschenden Verhältnisse eine große Anschlussfähigkeit. Der stetige Rationalisierungszwang innerhalb des Systems befeuert dabei das autoritäre Projekt von rechts. Das macht die AfD so gefährlich. Das rechte Netzwerk schafft es, ihre Rhetorik und Narrative breit in die Gesellschaft zu streuen. So erscheint das Retten ertrinkender Menschen im öffentlichen Diskurs auf einmal verhandelbar. Gegen diese Entwicklung stellen wir uns entschieden. Menschenleben sind für uns nicht verhandelbar; Seenotrettung ist kein Verbrechen! Applaus
Neben der Anschlussfähigkeit muss uns bewusst sein, die neofaschistische Ideologie übt schon jetzt tödliche Gewalt aus. Sie ist real! Der für legitim erklärte Feind wird angegriffen. Vor Angriffen auf Leib und Leben wird kein Halt gemacht.
Zwar unterscheidet sich die neofaschistische Ideologie der AfD vom historischen Faschismus. Die Techniken sind jedoch alles andere als neu.
Das zeigt sich unter anderem an ihrem Verhältnis zum Antisemitismus. Eine vermeintliche Israelsolidarität und instrumentelle Kritik am linken oder muslimischen Antisemitismus dienen einzig der Verschleierung. Der Antisemitismus ist der völkischen Ideologie jedoch im Kern eingeschrieben und findet immer wieder Niederschlag innerhalb der Partei.
Ihre gesamte Geschichtspolitik basiert auf einer aggressiven Erinnerungs- und Schuldabwehr. Das Denkmal an die Opfer der Shoah wird von Höcke als „Mahnmal der Schande“ bezeichnet. Die Befreiung durch die Alliierten wird in einen Vernichtungskrieg gegen das eigene Volk umgedeutet. Und Gauland vergleicht die NS-Vergangenheit mit einem „Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“. Die deutsche Geschichte hat für die AfD eine zentrale ideologische und gemeinschaftsstiftende Funktion. Sie hat das Ziel, eine nationale Identität zu konstruieren, die sich auf den Mythos eines ethnisch und kulturell homogenen Volkes stützt. Um das „Völkische“ wieder positiv zu besetzen, wird ein „Schlussstrich“ gefordert. Die verleugnete deutsche Täterschaft verbindet sich mit dem Wunsch nach eigener (kollektiver) Unschuld. Die Absicht ist klar: Wer den Nationalsozialismus aus der Erinnerung entsorgt, kann NS-Konzepte umsetzen, ohne als Nazi zu gelten. Was müssen wir also tun?
Wir müssen die neofaschistische Ideologie überall dort, wo wir ihr begegnen, dekonstruieren und bekämpfen. Auch die Einführungen neuer Polizeigesetze auf Grundlage fakten-resistenter Panikmache zeigen, dass die autoritäre Formierung eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist. Die AfD wird zunehmend zu ihrem organisatorischen Rückgrat. Ihre Niederlage muss Mindestmaß und zugleich die wichtigste Forderung unseres Widerspruchs sein: Darunter geht nichts, darüber geht es um alles.
Gleichzeitig müssen wir auch ein Angebot für ein solidarisches Miteinander schaffen. Wir können nicht erfolgreich sein, wenn wir uns in unsere eigene Komfortzone zurückziehen. Überall dort, wo Menschen an der politischen Teilhabe gehindert werden, müssen wir Brücken schlagen. Soziale Kämpfe, die bereits geführt werden, können uns als Kristallisationspunkte dienen, an denen wir die Absurdität des Systems aufzeigen,*wir müssen* die Frage nach einer befreiten Gesellschaft kollektiv stellen und beantworten. Ein Nebeneinanderstehen von Herangehensweisen kann dabei eine Stärke sein. Dabei zeigt sich die Notwendigkeit eines gemeinsamen Ziels, welches unserer Meinung nach nichts weniger als die befreite Gesellschaft sein kann.
Aus diesem Grund gehen wir heute nicht nur gegen die AfD als ein Akteur der neofaschistischen Ideologie auf die Straße. Sondern protestieren gegen den gegenwärtigen Gesamtzustand!
Die Maxime „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ bleibt auch hier unsere zentrale Maßgabe. Den Rechten die Opposition gegen eine Ordnung, die das Elend massenweise produziert zu überlassen, wäre fatal. Genauso müssen wir jedoch, wenn wir mit bürgerlichen Kräften zusammenarbeiten, diese in die Verantwortung nehmen für das, was sie möglich machen. Wer den zivilgesellschaftlichen Schulterschluss mit dem Neoliberalismus sucht, kämpft auf verlorenem Posten.
Wir demonstrieren heute nicht nur gegen die AfD als ein Akteur sondern bringen unseren unversöhnlichen Widerstand gegen die derzeitigen Zustände zum Ausdruck.
Wir kämpfen für etwas Besseres als die Nation! Nationalismus ist keine Alternative die befreite Gesellschaft schon.