Liebes Thalia Theater,
ist das wirklich dein Ernst!?
Kurz nach dem Auftakt der neuen Saison 2017/2018, welche im Zeichen der „Demokratie“ stehen solle, wird reaktionären Kräften nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch noch eine Bühne geboten, um ihre menschenverachtenden Äußerungen kundzutun. Ohne sich zu tief in die Debatte zu begeben, ob und inwiefern die AfD als demokratische Kraft bezeichnet werden kann/sollte, bist du, liebes Thalia Theater in der Rolle als „gesellschaftliche Verstärkerin“ angesprochen politisch Haltung zu zeigen.
Du hälst es anscheinend für legitim eine Diskussion mit dem Titel „Blackbox AfD. Wie ticken die Hamburger Rechtspopulisten?“ zu veranstalten, in welcher nicht etwa auf die völkischen, neokonservativen oder nationalistischen Argumentationen und Verhaltensweisen aufmerksam gemacht werden soll, sondern eben jene Akteur*innen selbst eingeladen sind den Raum mit ihrer hetzerischen Propaganda zu füllen.
Durch solche Veranstaltungen werden rechtspopulistische Parteien konkret in ihrem Wahlkampf unterstützt – Parteien, die nicht zuletzt durch ihre personalen Verbundenheiten mit völkisch-elitären Gruppen, wie Burschenschaften oder der Identitären Bewegung aufgefallen sind.
Dies ist eine interessante Wende in der politischen Haltung eines Theaters, welches bisher stets bemüht war sich den Anstrich einer modernen und weltoffenen Einrichtung zu geben. Ist nun etwa dein Rückgrad gebrochen oder versuchst deine gesellschaftliche Verantwortung abzuschütteln? Eine Veranstaltung wie diese ist eine Positionierung und es versetzt zugleich Projekten, wie dem „Café Embassy of Hope“ in der Gaußstraße, einen deutlichen Schlag ins Gesicht.
Doch vielleicht zeigt sich hieran deine neue Haltung nach dem Wechsel des Theaterintendanten, welcher ähnlich konservativ erscheint, wenn er behauptet, dass die Familie, als Kleinst- und Kernbiotop der Gesellschaft gefährdet sei (vgl. PM des Thalia Theaters, 07.04.17); eine Befürchtung, die ebenso gerne in den Reihen der „Besorgten Bürger“ um Beatrix von Storch zu finden ist. Und weiter: durch die Schwerpunktsetzung der kommenden Spielzeit auf das Thema Demokratie solle von Menschen erzählt werden, „die keine einfachen Antworten darauf haben, wie man sich in schwierigen gesellschaftlichen Prozessen verhält“ (J.Lux, PM 07.04.17). Ob dies durch die Einladung einer populistisch argumentierenden Partei erfüllt wird, ist wohl mehr als fraglich!
Thalia, wenn du Menschen, wie den Landesparteivorsitzenden der AfD Hamburg Dr. Bernd Baumann einlädt, um mit ihm u.a. die Frage zu diskutieren, ob Hamburg die AfD bräuchte, ist diese Frage eigentlich als eine rhetorische aufzufassen, da die Antwort vorhersehbar ausfallen wird.
Doch abgesehen davon, dass die Diskussion als unnötig bis untragbar betrachtet werden kann, ist es von größerer Relevanz sich über die Auswirkung einer solchen Veranstaltung im Klaren zu sein. In Zeiten, in denen es in hohem Maße notwendig ist sich deutlich gegen die drohende Barbarei (i.S. Th. W. Adorno) zu stellen, kann das zur Verfügungstellen eines Podiums für rechte Kräfte nur als unsolidarisch und reaktionär verurteilt werden. Eine Partei, welche zum aktuellen Zeitpunkt auf bundesweiter Ebene dabei ist sich durch Schlammschlachten über die inhaltliche Ausrichtung ebendieser selbst zu zerfleischen, befeuert durch die Verluste zuvor angesehener Persönlichkeiten (s. Petry auf dem Parteitag in Köln), sollte nicht indirekt gestärkt werden, indem ihnen der öffentliche Raum kommentarlos überlassen wird. Insbesondere dann nicht, wenn, wie im Falle der Hamburger AfD, nur wenige öffentliche Räume zur Verfügung stehen und selbst einige Bürgerzentren mehr Rückgrad und Haltung beweisen, indem sie rechten Kräften konsequent den Raum verweigern.
Von unserem alten Freund Marcuse wissen wir doch: #RepressiveToleranz – Wer repressiven Kräften ein Mikro in’s Gesicht hält, verstärkt die Stimme dieser repressiven Kräfte, auch wenn dies unter dem Deckmantel der Demokratie geschieht. Somit wird durch eine solche Form der Toleranz nur Intoleranz gestärkt und wiederum Intoleranz reproduziert.
Liebes Thalia, du solltest ebenso nicht vergessen: wer einmal den Raum geöffnet hat wird es argumentativ schwer haben diesen beim nächsten Mal zu verwehren. Beachtung sollte diesem nicht zuletzt deswegen geschenkt werden, da insbesondere die AfD in ihrem Parteiprogramm fordert: „(…) die Bühnen sollten stehts auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen“ (vgl. Beron/Turnheim, in: ak, Nr. 626, S. 32) und diese Forderung u.a. durch die Streichung von Fördergeldern bei denjenigen Einrichtungen durchzusetzen plant, welche sich dem Diktat zu widersetzen versuchen (vgl. Beron/Turnheim, in: ak, Nr. 626, S. 32).
Umso mehr zeigt sich die Notwendigkeit der neofaschistischen Bedrohung auch im kulturellen Bereich entgegen zu treten – politische und ästhetische Formen der Kämpfe für eine befreite Gesellschaft können und müssen zusammengedacht werden ohne diese zu vereinheitlichen.
Wir fordern vom Thalia Theater: Gebt der AfD und ihren menschenverachtenden Aussagen keine Bühne!
Keinen Fußbreit den Faschist*innen – nicht in Hamburg oder sonstwo!
Nationalismus ist keine Alternative – Hamburg, April 2017