NIKA-Aufruf zur Beteiligung an den Protesten gegen den EU-Gipfel in Salzburg
Am 20. September 2018 laden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zum ganz großen europäischen Requiem nach Salzburg. Ihr Programm unter der Schirmherrschaft der österreichischen Regierung aus Konservativen und Rechtsradikalen: tödliche Abschottung nach außen, autoritäre Kontrolle im Innern. Noch mehr Tote, noch mehr geschlossene Gesellschaft, noch mehr kaputter Alltag. Mit der berühmtesten Dauerwelle der Stadt sagen wir da lieber: Leck mich am Arsch! Also auf zu Mozartkugeln, Maskenball und Tumult im Orchestergraben.
Man muss das Elend hinter und vor den Zäunen der Festung Europa nicht mehr wortreich beschreiben. Wer wissen will, zu welch wohltemperierter Unmenschlichkeit der Rechtsruck den europäischen Kapitalismus schon geführt hat, der/die kann es längst wissen. Mit Zugeständnissen an die Neofaschisten von Gauland über Strache bis Salvini wollen die Parteien der Mitte wieder „politische Stabilität“ herstellen. Rassismus wird zur letzten Legitimationsressource; was die EU vor allem anderen noch zusammen zu halten scheint, ist ihre Abschottung nach außen. Dabei ist ebenfalls schon länger bekannt: Gestoppt wird der Rechtsruck durch Anpassung an ihn nicht, er nimmt damit vielmehr erst richtig Fahrt auf. Doch es wäre fahrlässig darauf zu hoffen, dass sich diese Einsicht bald durchsetzt.
An kaum jemandem ist die Anpassung an den Rechtsruck klarer abzulesen als an der selbsterklärten Mitte der Gesellschaft in der EU: Weil man die eigene Wirtschaftspolitik der letzten 20 Jahre nicht verändern will, bleibt ihr nur noch der Weg nach rechts. Das ist nicht nur Ausdruck politischer Dummheit: mit der Umverteilung des Reichtums von Unten nach Oben, der Zerstörung des Klimas und dem Export von Waren und Waffen in alle Welt hat sie nicht nur die zahlreichen Krisen hier und erst recht anderswo befeuert, sondern auch den Erfolg des eigenen Standortes auf dem kapitalistischen Weltmarkt erzwungen. Dass dieser Erfolg des europäischen Krisenregimes selbst hierzulande immer weniger Menschen zu Gute kommt, ändert nichts daran, dass er dem Kapital als einer gilt. Damit offenbart die politische Unfähigkeit der Mitte die strukturelle Blockade des neoliberalen Kapitalismus: er kann sich nur noch auf den Beinen halten, indem er immer mehr Nationalismus und Rassismus als schlechten Ersatz für politisches Handeln anbietet. Österreich, wo nun neoliberale Konservative mit Rechtsradikalen reagieren, ist das deutlichste Beispiel dafür. Während man dort gar nicht genug Geld für die Abschottung der Grenzen ausgeben kann, wird mal eben der 12 Stunden-Tag wieder eingeführt und Alleinerziehenden die Sozialhilfe zusammengestrichen. Statt in die Automatisierung von Arbeit zu investieren, wird ihre Ausbeutung intensiviert, während man die Lohnabhängigen ideologisch spaltet. Sicherung des Neoliberalismus durch Eskalation seiner rassistischen Ausschlüsse – das ist zwar ein Rezept, das über Leichen geht und nichts besser macht,aber es ist ein Rezept, dem auch in der BRD „nach Merkel“ noch eine große Karriere als vorläufige „Krisenlösung“ droht. Doch auch das könnte längst bekannt sein.
Spannender als das herrschende Elend erneut bei seinem Namen zu nennen, ist daher die Frage, was wir dagegen tun können. Und da ist die Lage so aussichtslos nicht, wie es bei der Fokussierung auf den politischen Betrieb oft scheint. Denn es waren eben nicht parlamentarische Beschlüsse, sondern die Autonomie von Flucht- und Solidaritätsbewegung, die 2015 die Festung Europa nachhaltig ins Wanken gebracht haben. Es sind die Seenotretter, die mit ihrem Engagement die europäische Verabredung zum Sterben lassen praktisch unterlaufen und die deswegen so aufwendig kriminalisiert werden. Und seit einigen Wochen macht sich unter dem Label #Seebrücke endlich eine Bewegung bemerkbar, die sich mit der Forderung nach sicheren Fluchtwegen der Hetze von rechts öffentlich entgegenstellt. Nun kommt es darauf an, diesen Widerspruch endlich auch grenzübergreifend sichtbar zu machen.
Wie gerufen kommt da der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. In Salzburg, also direkt an der bayrisch-österreichischen Grenze und mitten im Herzen der selbsterklärten „Achse“ der Abschottung, geben sich die europäischen Staatschefs den großen Auflauf. Während die Eliten der EU im „Mozarteum“ der Universität bei Mozartkugeln und vor den Kameras der Weltöffentlichkeit mal wieder über den „Schutz der EU-Außengrenzen“ und ihre „innere Sicherheit“ reden, wollen wir draußen deutlich machen, dass wir mit diesem Agendasetting nicht einverstanden sind. Das ist auch eine Frage antifaschistischer Solidarität: Dort, wo das Bündnis zwischen den ökonomischen Interessen der Eliten und dem Gehirnfasching des rechten Mobs erprobt und an die Regierung gebracht wurde, braucht es eine sichtbare und grenzübergreifende Gegenbewegung. Es geht dabei um nicht weniger, als darum, eine Banalität mit revolutionärem Potential öffentlich deutlich zu machen: Vor die Wahl gestellt, zwischen der radikalen Veränderung einer Gesellschaftsordnung, die Fluchtgründe und Menschenfeindlichkeit am Fließband produziert und dem Sterben lassen im Interesse von Standortkonkurrenz und „politischer Stabilität“, entscheiden wir uns für das Leben – und gegen diese Ordnung. Ihre Schreibtischtäter haben mit unserem Widerstand zu rechnen.
Internationale Demonstration
14:00 Uhr Hauptbahnhof 20. September – Salzburg