Statement der NIKA-Kampagne zum Rechtsruck bei den Wahlen
Falls jemand noch daran gezweifelt haben sollte, die Bundestagswahlen haben den Beweis gebracht: Die schwelende Krise des Kapitalismus ist längst auch eine Krise des politischen Systems, selbst in seinem europäischen Herz, in Deutschland. Die Dominanz der neoliberalen Alternativlosigkeit ohne jedes Zukunftsversprechen hat reaktionäre Ungeheuer ausgebrütet: Mit der AfD sind nun erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg offene Nazis und Faschisten in den Reichstag eingezogen. Für sie bedeutet das nicht nur hunderte von MitarbeiterInnen-Stellen, Stimmen in Ausschüssen und öffentliche Aufmerksamkeit, sondern auch viel Geld. Es greift zu kurz, den Erfolg der AfD einfach damit abzutun, dass es diesen Anteil an extremen Rechten schon lange in der deutschen Gesellschaft gibt. Denn als eigenständige Formation mit einer eigenen Dynamik sind sie neu.
Dazu kommt, dass der Rechtsruck sich auch darin spiegelt, dass alle anderen etablierten Parteien in den letzten Jahren eine autoritäre Entwicklung vollzogen haben: Innere und äußere Aufrüstung, soziale Entrechtung, tödliche Abschottung gegen Geflüchtete, massenhafte Abschiebungen, Deals mit Diktatoren – für all das braucht es keine AfD. Der Trend mag unterschiedlich stark ausgeprägt sein, aber die Richtung ähnelt sich: Gegen die Verwerfungen des kapitalistischen Weltmarktes wird auf die Übersichtlichkeit der Nation und die autoritäre Befriedung sozialer Konflikte gesetzt. Genau deswegen wäre es fatal darauf zu warten, dass sich die Rechten im parlamentarischen Betrieb von selbst erledigen – sie sind nur der gefährlichste Ausdruck eines tiefer liegenden Problems.
Antinational in die Zukunft
Gleichzeitig zeigen (nicht nur) die Wahlen, dass die Formulierung vom Rechtsruck bloß die halbe Wahrheit ist. Denn in den letzten Jahren hat es nicht nur in Südeuropa, sondern auch hierzulande eine Polarisierung gegeben. Viel mehr Menschen als die radikale Linke haben sich mit Geflüchteten engagiert, der Festung und ihren Fans auf unterschiedliche Art eine praktische Absage erteilt und bei Gipfelprotesten, wie in Hamburg beim G20-Gipfel, für eine dritte Option jenseits von neoliberaler Technokratie und rechtem Rollback gestritten. Und auch die bundesweiten Demos am Wahlabend waren ein ermutigendes Zeichen.
Aber diese Ansätze werden blockiert – auch von links. Denn eine rechte Hegemonie setzt nicht zuletzt voraus, dass sie auch von Links gestützt wird. Umso absurder ist es, wenn angeblich linke PolitikerInnen, wie Sahra Wagenknecht, es nach dem Wahlerfolg der AfD kaum abwarten können, selbst die schüchterne Position für offene Grenzen zu räumen und offenen RassistInnen und SexistInnen einmal mehr Verständnis entgegenbringen. Das ist mehr als Taktik, dahinter steht die Idee, der tatsächlich explodierende Reichtum ließe sich heute noch im nationalen Rahmen verteilen. Aber das Gegenteil ist wahr: Sozial geht nicht national. Die Vision eines Zurück in die Enge des nationalen Sozialstaates taugt nicht mal mehr als Reformismus. Menschen ertrinken, sitzen in Lagern und mittlerweile auch zu Hunderttausenden bei der Agentur für Arbeit, während das Kapital global vernetzt ist – da kann die „soziale Frage“ nur noch grenzübergreifend & gemeinsam beantwortet werden. Zudem ist der autoritäre Impuls selbst auf Sand gebaut. Alle Umfragen ergeben ein ähnliches Bild: Eine Mehrheit in diesem Land wünscht sich, dass es so weitergeht wie bisher, aber alle wissen, dass es so nicht kommen wird. Wie man es also dreht und wendet: Der Rechtsruck wird nicht durch Anpassung an ihn zurückgedrängt werden. Die Linke wird antinational oder sie wird nicht sein. Es ist Zeit für eine Klärung.
Make Antifa great again
Das gilt auch für den Umgang mit der AfD. Zwar haben die zahlreichen Gegenaktionen ihre Etablierung nicht verhindern können. Das zeigt aber vor allem die Verfestigung des rechten Milieus. Die Tabubrüche der letzten Wochen haben die AfD keine Stimmen gekostet. Sie wurde hier wegen, nicht trotz ihrer Menschenverachtung gewählt. Aber die Aktionen haben ihre Möglichkeit zur Propaganda eingeschränkt, ihren Strukturaufbau behindert und ihre internen Konflikte angeheizt – und sie können in Zukunft ihre Normalisierung durchkreuzen. Deswegen gilt es gegen die romantische Vorstellung der Bürgerlichen klar zu machen: wo Nazis demokratisch gewählt werden können, muss man sie nicht demokratisch bekämpfen. Wer anderen Menschen wegen ihrer Herkunft grundlegende Rechte, wie das Recht auf Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, wegnehmen will, der braucht sich auf die Meinungsfreiheit nicht berufen. Und wer andere Menschen jagen will, der kann gerne selbst zum Gejagten werden. Von den Wahlergebnissen sollten wir uns jedenfalls nicht frustrieren lassen – und den Druck aufrechterhalten. Die Zukunft wird ohnehin nicht an der Wahlurne entschieden. Daher braucht es nun vor allem eins: Organisierte Gruppen, die Aktionen machen können und ansprechbar sind. Denn Anlässe wird es nicht weniger, sondern mehr geben: Egal ob bei den anstehenden Aktionen gegen Abschiebungen vor Ort, der Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag in Hannover im Dezember (facebook.com/unserealternativeheisstsolidaritaet/) oder bei sozialen Kämpfen, wie der Unterstützung des grenzübergreifenden Amazon-Streiks Ende November (facebook.com/makeamazonpay) – überall gilt: alles muss man selber machen. Zwar werden die Zeiten härter und die Polarisierung nimmt zu. Aber manchmal muss es erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Und als radikale Linke wissen wir ja: The only way out is – through.