Im Rahmen der Aktionswoche für die Schließung und Evakuierung von Moria und aller Lager gab es einige Aktionen in München. So wurden Statements wie #leavenoonebehind, #evacuatemoria und #shutdowncapitalism in verschiedener Form im Stadtbild sichtbar gemacht.
Zum Abschluss gab es am 3. Mai drei spontane Fahrrad-Korsos die mit Schildern, Musik und Redebeiträgen aus gekoppelten Bluetooth-Boxen und Wurfzettelchen mit etwa 100 Leuten lautstark durch die Isarvorstadt, Haidhausen und Schwabing fuhren. Die Polizei kam mit dem unangemeldeten Protest nicht wirklich zurecht.
„Die globale Pandemie stellt eine existentielle Bedrohung dar – sie bedroht die Existenzgrundlage von Millionen, sie stellt die meisten Gewohnheiten des sozialen Lebens zur Debatte und sie stellt nicht zuletzt eine biologische Bedrohung für uns Menschen dar. Das Coronavirus geriert sich als zynischer Gleichmacher: vor der medizinischen Bedrohung durch die Krankheit scheinen zunächst alle Menschen gleich zu sein, eine Differenzierung nach Klasse, Geschlecht oder Herkunft ist der biologischen Gefahr erstmal gleich. Doch auch in einem vor zwei Monaten für die Allermeisten undenkbaren Ausnahmezustand haben Herrschaft und Ausbeutung keine Ausgangssperre. Die virale Bedrohung wirkt vielmehr als eine Art Katalysator sozialer Ungerechtigkeit, wie durch ein Brennglas beobachtet spitzen sich die Spaltungen kapitalistischer Vergesellschaftung zu. Selbst die existentielle, biopolitische Bedrohung bedeutet eben kein Ende des Sozialen und der ihm eingeschriebenen Herrschaftsverhältnisse – und sie bietet schon gar keinen Anlass zum Optimismus a la „das Politische obsiegt über das Ökonomische“ wie ihn leider auch einige Linke herbeifantasieren.
So verschärfen sich etwa Klassenunterschiede, wie Zugang zu medizinischer Versorgung, Schutzausrüstung oder der Möglichkeit im home office zu arbeiten, statt am Band, im CallCenter oder in der Putzkolone, wo allenfalls geringe Möglichkeit zum social distancing besteht. Die Zuspitzung sozialer Verhältnisse zeigt sich für kaum eine soziale Gruppe so deutlich wie für die Menschen, die in der Maschine des rassistischen, europäischen Grenzregimes festgehalten werden. Angesichts dessen offenbaren sich die Appelle an Solidarität und gesellschaftliches Miteinander als blanker Zynismus. Eine Gesellschaft, in der Hotels und sonstige Aufnahmakapazitäten zu Genüge zur Verfügung stünden, setzt so ziemlich alles daran den Status Quo der rassistisch motivierten Ausschlüsse nicht zu beenden – von der desaströsen Situation was Seenotrettung im Mittelmehr angeht ganz zu schweigen.
Die als menschenfreundlicher Akt inszenierte Umverteilung einiger weniger Geflüchteter von den Ägäisinseln ist sicherlich großartig für jede einzelne Person, deren Lebensumstände sich dadurch verbessert haben. Eine wirkliche Veränderung der humanitären Situation von Tausenden ist es nicht. Doch auch schon in Zeiten vor der Pandemie war offensichtlich, dass das europäische Gelaber von Menschenrechten, Bewegungsfreiheit und Gleichheit für den Großteil der Menschheit pure Makulatur ist und dass diese Fassade nur durch den im Zweifel todbringenden Ausschluss der „Anderen“ aufrecht erhalten werden kann. Die durch das Virus bedingte dramatische Zuspitzung zeigt diese Verhältnisse lediglich in ihrer offensichtlichsten Form. Das vollkommen überfüllte Lager in Moria auf der Griechischen Insel steht sinnbildlich für diesen europäischen Zynismus in der Coronakrise.“