Ein schwarzer Mann in Minneapolis wird von Polizisten getötet. Nicht zuletzt, weil dies vor laufender Kamera geschah, brannte kurz darauf die Stadt – durchaus buchstäblich und bald nicht nur dort. Schnell identifizierte Präsident Trump die Antifa als Strippenzieherin hinter den Protesten und drohte erneut, sie als Terrororganisation einzustufen. Daraufhin bekannten auch deutsche Politiker_innen von denen man es nicht erwartet: Ich bin Antifa. Spätestens hier sollte allen klar sein, auch wenn #BlackLivesMatter, #ACAB und #Antifa kurzzeitig die Twittertrends bestimmen, sind die Zeiten immer noch beschissen – und das auch und gerade in Deutsch-Europa. Im Fahrwasser von Trump macht auch die extrem rechte Fraktion Identität und Demokratie (ID) im EU-Parlament gegen die Antifa mobil und die AfD tut es ihr im Bundestag gleich.
Solidaritätsbekundungen sind wertlos, solange sie nicht in eine solidarische Praxis münden. Da können die Cops so viel knien wie sie wollen und die SPD behaupten, sie sei Antifa, solange weiterhin Kolleg_innen gedeckt werden und SPD-Innenminister behaupten, es gäbe keinen strukturellen Rassismus bei der Polizei, sind das leere Gesten. Wir sind Antifa, die SPD ist es nicht and a cop is not a friend.
Was also ist Antifa? Es heißt vor allem, mehr als „gegen Nazis“ zu sein. Antifa heißt, wir beurteilen unsere Gegner_innen nach ihrem Tun und ihrem Programm und nicht nach dem Verfassungsschutzbericht. Wie man gegen solche Strukturen vorgeht, entscheiden wir taktisch und nicht nach dem Strafgesetzbuch oder der Meinung liberaler Feuilletons. No tolerance for fascism. Und vor allem richten wir unsere Politik gegen die materiellen Grundlagen jeder faschistischen Tendenz: Nationalstaat, Patriarchat und Kapital. Das unterscheidet uns von bürgerlichen Antifaschist_innen, die immer das Grundgesetz parat haben und noch jede Abschiebung in Ordnung finden, solange sie juristisch korrekt abläuft.
Rassismus ist Alltag, nicht nur in den USA, auch in Deutschland. Wir haben die Schnauze voll von institutionellem Rassismus, egal ob er sich in Polizeigewalt, Migrationsregime oder auf dem Wohnungsmarkt zeigt. Wir können das entschuldigende Gerede von den Einzelfällen nicht mehr hören!
Institutioneller Rassismus ist zwar ein globales Phänomen, unterscheidet sich aber darin, wie er sich lokal konkretisiert. Das gleiche gilt für polizeiliche Praktiken. In LA sind weniger Shishabars und deren Kundschaft von Polizeikontrollen betroffen als in Berlin Neukölln.
In den USA Schwarze, in Deutschland als Muslime gelesene Menschen… In Südosteuropa richten sich staatliche Diskriminierung und gesellschaftliche Bedrohung verstärkt gegen Roma. Kolonial- und Migrationsgeschichten sind unterschiedlich, und Rassismen satteln lokal auf verschiedene Diskurse und sozio-ökonomischen Randbedingungen auf.
Doch kann unsere Politik jetzt nicht auf dem Niveau von Antidiskriminierung eines Gleichstellungs-
beauftragten aufhören. Wir bleiben dialektisch und kämpfen in der #migrantifa gegen Rassismus und falschen Freiheiten, die uns der kapitalistische Staat verkaufen will. Was sollen wir mit der Freiheit, miteinander konkurrieren zu dürfen, der Freiheit, von notwendigem Wohnraum ausgeschlossen zu sein? Auf der Kehrseite wartet die Gewalt der bürgerlichen Staatsapparate in jeder Zwangsräumung, in jeder Demonstrationseinschränkung, in jeder Polizeikontrolle, in jeder Abschiebung.
Auch wenn das Dreieck Staat, Kapital, Rassismus mal spitz und mal gleichseitig ist, bleibt es überall ein Dreieck. Aber es erfordert dennoch unterschiedliche Strategien, es zu zerschlagen. Von Rassismus Betroffene, radikale Linke und auch alle, die sich für #unteilbar halten, täten gut daran, sich von Kämpfen in den USA oder sonst wo inspirieren zu lassen, aber nicht zu versuchen, sie auf Biegen und Brechen zu kopieren.
Die Coronakrise, die auch Hintergrund der explosiven Situation in den USA ist, zeigt uns, dass autoritäre Staatlichkeit auf der Klaviatur des Ausnahmezustands spielen kann. Ein diffuses rechtes Spektrum ist dabei, ihre Deutung kommender Krisen zu popularisieren. Als radikale Linke sollten wir darauf vorbereitet sein, unter veränderten Bedingungen zu kämpfen. Vieles ist in Bewegung, wir sollten es auch sein.
See you on_line the streets!
Nationalismus ist keine Alternative Berlin