Am 8. Mai 2017 jährt sich die Befreiung Europas von der Herrschaft des deutschen Faschismus zum 72. Mal. Am Abend zuvor finden in Schleswig-Holstein die Wahlen zum Landtag statt, bei der ein Einzug der proto-faschistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) ins Landeshaus Umfragen zu Folge zwar nicht gesichert, aber wahrscheinlich ist. Als gewiss gilt in Anbetracht der bundesweiten Stimmungslage der Einzug der AfD in den Bundestag im September dieses Jahres. Damit wäre in Deutschland erstmalig nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus eine rechte Partei im Parlament vertreten, in der teils offen neo-faschistische Positionen vertreten werden und die ihr Personal und ihre Basis in allen reaktionären Lagern zu rekrutieren weiß. Die Institutionalisierung des bereits seit Jahren andauernden gesellschaftlichen Rechtsrucks in weiten Teilen Europas und darüber hinaus, der sich in Namen wie Le Pen, Trump, Erdogan oder Orban personalisiert hat, hätte sich damit auch in der BRD mit vorläufigem Erfolg vollzogen.
Die AfD schürt in diesen Wochen im Wahlkampf mit Plakaten wie „Heimat statt Multikulti“ und ihrem hetzerischen Populismus Angst und Hass gegen Flüchtende und Migrant*innen. Die AfD und ihre Anhänger*innen sind damit geistige Brandstifter und mitverantwortlich für die zahlreichen Angriffe auf vermeintliche und tatsächliche Nicht-Deutsche in den vergangenen zwei Jahren. Täglich brennen Geflüchtetenunterkünfte in Deutschland, Menschen werden angegriffen und verfolgt, auch in Schleswig-Holstein.
Die Partei macht aber auch darüber hinaus reaktionäre und sozialchauvinistische Ideologie salonfähig für die Mitte der Gesellschaft. Wahlplakate wie „Familie statt Gender-Wahn“ hetzen z.B. gegen LGBT-Personen. Die Familie als „Keimzelle der Nation“ – dahin will die AfD zurück. Das bedeutet konkret, dass Eltern nicht mehr Kinder um ihrer selbst willen in die Welt setzen, sondern „für das Vaterland“. Diese Tradition wird angeblich ebenso durch „Frühsexualisierung“ und „Gender Mainstream“ wie durch arbeitende Mütter oder gleichgeschlechtliche Beziehungen bedroht. Frauen* wird außerdem das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen, nicht zuletzt in der AfD-Forderung eines Abtreibungsverbots per Volksabstimmung.
Die AfD propagiert die Klassengesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gedrückt wird. Abschaffung des Mindestlohns fordert sie im gleichen Atemzug wie die Senkung von Spitzensteuersätzen und außerdem den Arbeitszwang für Erwerbslose. Die AfD ist nicht nur „keine gute Wahl“, sie widerspricht in all ihrem Sein einer emanzipatorischen und solidarischen Gesellschaft. Das ist keine Alternative – nicht hier, nirgends, niemals!
Wir sind angetreten, um der Etablierung solcher Positionen in den parlamentarischen Normalbetrieb nicht tatenlos zuzusehen, sondern uns dieser organisiert und widerständig in den Weg zu stellen. Antifaschist*innen in ganz Schleswig-Holstein geben in diesen Wochen ihr Bestes, um die Wahlpropaganda der AfD und anderer rechter Parteien im öffentlichen Raum möglichst flächendeckend unschädlich zu machen. Wir haben in Kiel, Lübeck und Flensburg und sogar auf dem Land in Aukrug und Westerholz und anderswo erfolgreich dafür gesorgt, dass Wahlkampfveranstaltungen mit AfD-Promis nur unter massiven Behinderungen bzw. garnicht stattfinden konnten. Dabei offenbarte sich die breite gesellschaftliche Basis, die die tatkräftige Ablehnung der AfD in Schleswig-Holstein trägt. Spontan, vielfältig und entschlossen stellten sich wiederholt hunderte Menschen den Hetzversammlungen entgegen, so dass es der Rechtspartei in Teilen des Landes mittlerweile nahezu unmöglich ist, überhaupt irgendwelche Räume für ihre Zwecke anzumieten. Auch an ihren Wohnorten waren führende AfD-Politiker nicht sicher vor der steifen Brise von Backbord, der ihnen derzeit im hohen Norden entgegenschlägt. Das vorläufige Resultat stimmt uns hoffnungsvoll: Ein AfD-Wahlkampf ist – zumindest bisher – in vielen Gegenden kaum bis garnicht wahrnehmbar gewesen. Wir sollten deshalb nicht in Euphorie verfallen, denn der Einzug ins Landeshaus ist deutlich mehr von bundesweiten Dynamiken abhängig, als von der strukturellen Schwäche der AfD im Land. Aber wir sind dennoch frohen Mutes, dass wir es schaffen können, den Rechtsruck zu stoppen, wenn wir zusammen stehen und unseren Worten auch Taten folgen lassen! Nicht zuletzt deshalb, weil dieser Kampf wenn überhaupt nur zweitrangig auf der Ebene des Parlamentarismus ausgefochten wird. Entschieden wird er dagegen im Kräfteverhältnis auf der Straße, bei der Arbeit, in der Schule, im Stadion, in den sozialen Netzwerken, in der Kneipe, im Viertel und überall dort, wo Rassismus, Sexismus, Nationalismus, Homofeindlichkeit und Sozialchauvinismus zu Tage treten, aber auch zurückgewiesen werden können.
Egal, ob die AfD bei der Landtagswahl am 7. Mai ihr erklärtes, wenn auch unrealistisches Ziel eines zweistelligen Ergebnisses erreicht, nur knapp oder sogar garnicht in den Landtag einzieht: Wir rufen dazu auf, jeglicher rassistischer Politik – auf der Straße oder im Wahlkampf, ob von etablierten oder national-chauvinistischen Protestparteien – eine klare Absage zu erteilen. Die Bundestagswahlen stehen erst noch bevor und im Sommer wird gleich die zweite Wahlkampfphase in diesem Jahr eingeläutet werden. Aber völlig unabhängig von den Inszenierungen rund um die Urnengangspektakel haben AfD, ihr Fußvolk und ihre etablierten Wechselspieler mit unserem Widerstand zu rechnen, wann immer sie versuchen, sich in unser Leben einzumischen und unsere Freiheit weiter einzuschränken.
Es ist zu kurz gedacht, nur extrem rechte Parteien in den Fokus zu nehmen: Sexistische, sozialchauvinistische und rassistische Ressentiments finden sich bis in die Mitte der Gesellschaft hinein und müssen immer wieder thematisiert werden. In Schleswig-Holstein endet Mitte Mai, also nur kurz nach der Landtagswahl, der Abschiebestopp in das Kriegsgebiet von Afghanistan – der Kampf für ein Bleiberecht für alle geht also unabhängig vom Abschneiden der AfD weiter.
Wir werden uns weiterhin wehren gegen jede Form von rassistischen Angriffen und werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, Abschiebungen unserer Freund*innen ohne Papiere, die die herrschenden Gesetze zu „Illegalen“ erklären, zu verhindern. Wir dulden als Frauen* vor und nach dem 7. Mai keinerlei Einmischung in die Selbstbestimmung über unsere Körper. Wir lieben weiterhin wie und wen wir wollen. Und wir holen uns das, was wir zum Überleben in Verhältnissen brauchen, in denen uns alles genommen und dem Kapital alles zur Verwertung überlassen ist – egal ob der rot-grüne Hartz4-Armutssatz wie in der AfD-Phantasie privatisiert oder vom falschen Heilsbringer Schulz um 1,25€ erhöht wird. Wir lassen uns nicht in ein nationales Kollektiv pressen, das uns nicht vorhandene Gemeinsamkeiten mit unseren Ausbeuter*innen und Unterdrückern vorgaukelt, aber uns von unseren Brüdern und Schwestern aus anderen Teilen dieses Planeten trennt. Unsere Wahl ist der Auf- und Ausbau unserer widerständigen Orte, an denen wir die staatliche Kontrolle, den Zugriff des Kapitals und die Einschüchterung durch programmatische Arschlöcher eindämmen und uns gegenseitig den Rücken stärken, unterstützen, bilden und unsere Kräfte bündeln können. Orte, von denen aus wir im Alltag und auf der Straße zurückschlagen und die wir zu Keimzellen organisierter Gegenmacht gegen das bestehende Gesellschaftsverhältnis von Konkurrenz und Ausbeutung verschmelzen lassen, mit der wir den kapitalistischen Biotop für Rassismus, Nationalismus, patriarchale Unterdrückung und Klassenhass von Oben irgendwann einmal vollständig austrocknen werden.
Wir werden immer wieder geeignete Anlässe finden, diese ganz andere Vorstellung von Politik und Leben gegen die herrschenden Zustände auf die Straße zu tragen. Etwa dann, wenn im Juli das Spitzenpersonal der weltweiten autoritären Zuspitzung beim G20-Gipfel in Hamburg zum Hand-Shake zusammentrifft oder aber, wenn die AfD Schleswig-Holstein ihren möglichen Einzug ins Landeshaus feiern will. Deshalb rufen wir Euch dazu auf, Euch am Wahlabend ab 19 Uhr am Hauptbahnhof in Kiel zu versammeln, um von dort aus zusammen die Party der AfD zu crashen. Wir werden das tun, was ungebetene Partygäste halt so tun: Das Buffet plündern, Tortenschlachten anzetteln, die Musikanlage putschen, durch rüpelhaftes Verhalten und miese Laune andere Gäste vergraulen, Dinge vom Balkon schmeißen und die Gastgeber*innen zum weinen bringen. Und wenn es für die AfD am Ende doch nichts zu feiern gibt, übernehmen wir die Fete einfach selbst, drehen den Spieß um und und jagen mal ordentlich die Sau ganz nach unserem Geschmack durch den Schweinestall: Mit queeren Orgien, Dosenbierduschen, proletarischen „Diskussionsrunden“, Deutschpunk aus der Konserve, Pyrotechnik im Innenraum, internationalistischem Kulturprogramm und vielem mehr… Sollte sich das chauvinistische Spießerpack allerdings wie gewohnt hinter Bullenabsperrungen verkriechen, werden wir das Programm so oder so ähnlich eben vor der Tür abspulen. Und wir werden auch nach dem Wahlabend wiederkommen – bis die Scheiße aufhört.
Die Angst umverteilen – Make racists afraid again!
Antifaschistische Gegenmacht aufbauen – die Rechten zu Boden!