*radikale Linke= alle Gruppen,Strukturen und Einzelpersonen die nicht zur bürgerlichen Linken gehören
TRIGGERWARNUNG: Vergewaltigung, sexualisierte Gewalt, Täter-Opfer-Umkehr
Anmerkung BlackCatLeipzig: ,,in diesem Interview steht, wie ich mir den Umgang mit meiner Vergewaltigung wünsche. Dies heißt aber nicht das andere betroffene Menschen das selbe bei ihren Übergriffen wollen. Jede*r Betroffene hat andere Bedürfnisse,dazu zählt auch der Umgang mit dem Übergriff. Meine Bedürfnisse sollten nicht auf andere betroffene Menschen angewand werden. Haltet euch an das, was die jeweiligen betroffenen Menschen wollen.“
Innerhalb der ,,radikalen Linken“ hat das Thema ,,sexualisierte Gewalt“ kaum eine Bedeutung. Der Großteil der Szene schweigt das Thema Tod und ignoriert die Problematik. Sobald es darum geht das der*die Täter*In im eigenen Freundeskreis ist, wird Täter*Innensolidarität betrieben und gegen die Betroffenen vorgegangen. Übergriffe werden verschwiegen und Betroffene eingeschüchtert. Anfang Oktober 2020 veröffentlichte die Twitter-Userin BlackCatLeipzig ihre Vergewaltigung innerhalb der ,,radikalen Linken“ Leipzigs auf Twitter, dadurch rückte sie diese Problematik wieder an die Öffentlichkeit.
Dies nahmen wir zum Anlass ein Gespräch mit ihr zu führen.
Nika Sachsen: Hallo BlackCatLeipzig,willst du dich vielleicht erst mal vorstellen?
BlackCatLeipzig: Gerne, Ich bin BlackCatLeipzig und wohne seit über 3 Jahren in Leipzig. Im Sommer 2017 bin ich aus meiner Geburtstadt hier her geflohen,da ich dort ansonsten einem Femizid zum Opfer gefallen wäre. Mittlerweile bin ich 21 Jahre alt und schon seit mehreren Jahren in der ,,radikalen Linken“ aktiv. Zur Zeit beschäftigen mich vorallem die Themen Feminismus,Antisemitismus,Klassismus und Ableismus. Derzeit mache ich eine Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin.
Nika Sachsen: Wie oben schon erwähnt veröffentlichtest du im Oktober dieses Jahres deine Vergewaltigung auf Twitter, was hat dich dazu bewegt?
BlackCatLeipzig: Meine Vergewaltigung fand innerhalb der ,,radikalen Linken“ Leipzigs statt,also sollte sie auch dort behandelt werden. Es kann nicht sein das es innerhalb unserer Strukturen zu Übergriffen kommt und wir dann darüber schweigen und uns nicht damit auseinandersetzen. Meine Vergewaltigung gehört in die Öffentlichkeit. Es muss innerhalb der ,,radikale Linken“ zu einer Auseinandersetzung damit kommen, um sowas in Zukunft zu verhindern. Deshalb habe ich meine Vergewaltigung veröffentlicht,mit der Hoffnung das die ,,radikale Linke“ Leipzigs sich dann damit auseinandersetzt. Was sie traurigerweise aber nicht tut,der Vorfall wird verschwiegen und ignoriert. Eine Auseinandersetzung und Reflektion findet nicht statt und wird es auch nicht.
Ein weiterer Punkt der mich zur Veröffentlichung bewegt hat,war das ich aufzeigen wollte das es eben keine tragischen Einzelfälle sind,sondern das dies strukturell ist. Auch wenn es gerne anderst dargestellt wird,aber das Patriarchat macht nicht vor der ,,radikalen Linken“ halt. Alles was passiert und uns angetan wird ist strukturell.
Zudem wollte ich anderen Betroffenen Mut machen,indem ich dies veröffentlicht habe.
Nika Sachsen: Du sagtest du wolltest damit weiteren Betroffenen Mut machen, sind dir den noch weitere Fälle bekannt?
BlackCatLeipzig: Ich weiß von mehreren verschieden Fällen. So gab es z.b in meiner Geburtstadt mehrere Vergewaltigungen. Die dortige Szene hat sich aber nicht dafür interessiert, der Täter konnte da sogar unbehelligt mit seinen Taten angeben. Stattdessen ist die Szene gegen jene vorgegangen die sich darüber beschwert haben,was leider nicht allzu viele waren. Die Betroffenen hat man allerdings nie wieder gesehen. Einer der Gründe hierfür war,die Stimmung innerhalb der dortigen Szene, diese war und ist extrem bedrohlich gegenüber FLINT*-Personen. Es waren aber nicht nur Vergewaltigungen,sexualisierte und patriarchale Gewalt gehörten dort zum Alltag.
Aber auch hier in Leipzig sind mir verschiedene Fälle von sexualisierter und patriarchaler Gewalt, innerhalb der ,,radikalen Linken“, bekannt. Allerdings werde ich hierauf nicht weiter eingehen,da ich nicht ohne das Einverständnis der Betroffenen dazu was sagen werde.
Nika Sachsen: Oben bist du immer wieder auf den Umgang mit solchen Fälle, innerhalb der ,,radikalen Linken“ eingegangen. Kannst du darauf genauer eingehen,also wie verhält sich die linke Szene bei solchen Übergriffen?
BlackCatLeipzig: Der Umgang innerhalb der Szene ist sehr Täter*Innenfreundlich. Dem Großteil der Leute interessiert es nicht,es ist ihnen egal. Es fällt Betroffenen generell schwer erlebte Gewalt anzusprechen,wenn sie es dann doch tun treffen sie in der ,,radikalen Linken“ auf Ignoranz und einer Mauer des Schweigens. ber sexualisierte/patriarchale Gewalt wird in der Szene nicht geredet und es wird sich damit auch nicht auseinander gesetzt.
Sollte ein Übergriff doch mal große Aufmerksamkeit bekommen, dauert es nicht lange bis sich diese Aufmerksamkeit gegen die Betroffenen richtet. Den betroffenen Menschen wird schnell unterstellt das sie sich den/die Übergriffe nur ausgedacht hätten, um den*die Täter*Innen zu schaden. Besonderst schlimm ist meistens der Umgang damit im direkten Umfeld des*r Täter*In. Hier wird gezielt Täter*Innen-Opfer-Umkehr, Täter*Innensolidarität und Täter*Innenschutz betrieben. Aber nicht nur im direkten Umfeld der*s Täter*In wird gegen die betroffenen Personen vorgegangen, sondern auch im Großteil der Szene.
Nika Sachsen: Wie unterscheidet sich den der Umgang mit sexualisierter/patriarchaler Gewalt innerhalb der linken Szene vom Rest der Gesellschaft?
BlackCatLeipzig: Die ,,radikale Linke“ denkt von sich selber sie sei schon fertig reflektiert und denkt sie sei deswegen nicht sexistisch und patriarchal. Sie haben sich einfach das Label ,,feministisch“ gegeben und sind jetzt der Meinung das sie alle Machtstrukturen reflektiert und deswegen keine mehr besitzen. Dabei reproduzieren sie ständig diese Machtstrukturen und ihren Sexismus. Das ist einer der großen Unterschiede,die Leute aus der Szene denken sie müssten sich nicht mehr weiter reflektieren,da sie ja nicht -istisch sind, -ismen finden sie ja scheiße. Das ist für sie reflektion genug
Nika Sachsen: Wie war die Reaktion deines politischen Umfeldes nach der Veröffentlichung?
BlackCatLeipzig: Es war sehr still, keiner hat sich wirklich damit auseinander gesetzt. Nirgendwo fand oder findet eine Auseinandersetzung damit statt.
Den meisten Gruppen und Strukturen ist es egal,mit sowas will man sich nicht beschäftigen. Ich selber habe für die ,,radikale Linke“ auch keine politische Relevanz, ich bin für den Großteil nur die ,,Freundin von…“,also interessiert es die Szene auch nicht was mit mir geschieht.
Die einzigen die sich bei mir gemeldet haben waren meine Freund*Innen, sie waren die einzigen die es interessiert hat wie es mir geht und wie sie mir helfen können.
Nika Sachsen: Wie wäre dein Umgang damit,wenn du plötzlich auf einen deiner Täter*Innen treffen würdest?
BlackCatLeipzig: Da gibt es keinen bestimmten Umgang damit. Es hängt vorallem von meiner psychischen Verfassung in dem Moment ab und auch von anderen Faktoren, z.b ob alleine unterwegs bin oder ob Freund*Innen bei mir sind? Ich kann nicht vorher sagen wie ich in so einer Situation reagieren würde. Nur bei meinem Vergewaltiger würde ich auf jeden Fall die Örtlichkeit verlassen, das steht fest.
Nika Sachsen: Ist es ein Konflikt, wenn man als linke Person zur Polizei will um einen Übergriff zur Anzeige zu bringen? Stellt es ein moralisches Problem da, das der*die Täter*In davor Genoss*In war?
BlackCatLeipzig: Für mich persönlich ist es kein moralisches Problem damit zur Polizei zu gehen. Meine größte Angst wäre die Reaktion der ,,radikalen Linke“, da der Gang zur Polizei für viele einen ,,Verrat“ darstellt
Nika Sachsen: Hast du darüber nachgedacht den Täter anzuzeigen, oder wieso hast du dich dagegen entschieden [wenn doch: was war deine erfahrung damit?]?
BlackCatLeipzig: habe meine Vergewaltigung und meine versuchte Vergewaltigung(anderthalb Jahre vor der Vergewaltigung) nicht angezeigt. Bei meiner Vergewaltigung lag es daran das der Täter mich so manipuliert und abhängig gemacht hat,das ich nicht anzeigen konnte. Jetzt drei Jahre später habe ich keinen einzigen Beweis dafür,ich hatte direkt nach der Vergewaltigung auch keine medizinische Untersuchung gemacht. Es würde Aussage gegen Aussage stehen. Es würde nichts bringen.
Meine versuchte Vergewaltigung anderthalb Jahre zuvor hatte ich allerdings auch nicht angezeigt. Damals galt laut Gesetzt noch nicht,,Nein heißt Nein“. Der Hauptgrund,weshalb ich mich damals aber gegen eine Anzeige entschied war allerdings der,das mich die Leute aus dem autonomen Zentrum zusammen geschlagen hätten. Für mich als FLINT*-Person war das autonome Zentrum auch immer mehr ein Angstraum. Die Leute von dort hätten mich zusammen geschlagen,da ich in deren Augen ,,einen Genossen an die Bullen ausgeliefert“ hätte.
Nika Sachsen: Awarenessgruppen auf linken Partys und in linken gruppen; FLINT*-Plena; feministische FLINT*-only-gruppen… ….sind das Möglichkeiten, die ein stück safe space zurück bringen, empowern und emanzipatorischen Umgang mit patriarchaler Gewalt ermöglichen?
BlackCatLeipzig: Awarenessgruppen sind eine gute Möglichkeit bei Veranstaltungen direkt auf sexualisierte/patriarchale Gewalt zu reagieren und betroffene Menschen zu schützen.
Bei allem anderen gilt auch FLINT*-Personen können Übergriffig und Täter*Innensolidarisch sein. Sobald es darum geht das die*der Täter*In im eigenen Freundeskreis ist,werden selbst die größten Feminist*Innen Täter*Innensolidarisch. Da ihre*seine Freund*Innen ja angeblich sowas nicht machen. Der betroffenen Person werden dann ganz schnell die Erfahrungen abgesprochen und sie werden der Lüge bezichtigt. Das war es dann mit dem SafeSpace.
In einer patriarchalen Gesellschaft gibt es keine SafeSpace.
Nika Sachsen: Was müsste strukturell passieren, um eine ,,radikale Linke“ (und eine Gesellschaft) ohne patriarchale gewalt zu ermöglichen?
BlackCatLeipzig: Vorallem Reflektion. Die ,,radikale Linke“ und die Gesellschaft muss ihre patriarchalen Strukturen reflektieren und bekämpfen.
Wenn es zu Übergriffen kommt,muss das Augenmerk auf den Bedürfnissen der betroffenen Person liegen. Das wichtigste ist das die betroffene Person sich wohl fühlt und alle ihre Bedürfnisse und Wünsche beachtet werden. Zudem muss mehr über Konsens und die Wichtigkeit geredet werden. Und es sollte an Cis-Männer liegen das diese darauf achten das ihre Freunde nicht Übergriffig werden.
Nika Sachsen: Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?
BlackCatLeipzig: allem das man Betroffenen glaubt. Das man uns nicht unsere Erfahrungen abspricht und Übergriffe ernst nimmt,momentan ist dies nämlich nicht gegeben.
Übergriffe sollten Konsequenzen für die Täter*Innen und seine*ihre Unterstützer*Innen haben. Täter*Innen sollen keine Solidarität und keinen Schutz mehr erfahren. Dazu zählt auch das man nicht mehr mit Täter*Innen privat was unternimmt und das sämtliche politischen Arbeiten mit ihm*ihr eingestellt werden. Die komplette Aufmerksamkeit sollte auf die Bedürfnisse der betroffene Person liegen.