Im Zuge der Organisierung einer gemeinsamen Kundgebung am 27. März 2021 unter dem Motto
‚‚Solidarität mit den emanzipatorischen Kämpfen in China“ , haben wir dies zum Anlass genommen
um mit der Gruppe 左回声Left Echo ein Interview zu führen. Sie werden sich vorstellen und über ihre politische Arbeit aufklären.
1. Wer seid ihr und wo liegt euer politischer Fokus?
Wir sind eine Leipziger Initiative, die aus ein paar Menschen mit unterschiedlichem China-Bezug, oder einfach Interesse, besteht. Unser Interesse liegt auf emanzipatorischen Kämpfen verschiedener Art im chinesischsprachigen Raum, konkret in der Volksrepublik China, Hongkong und Taiwan. Wir beschäftigen uns mit diesen Kämpfen und versuchen dann, die Perspektiven wiederzugeben und entsprechende Infos zugänglich zu machen, daher auch das Wort ‚‚Echo“ im Gruppennamen. Außerdem streben wir an, Möglichkeiten zu finden, wie wir uns hier mit solchen Kämpfen solidarisieren können.
2. Aus welchen Gründen habt ihr euch auf diese Thematik fokussiert?
Die Beziehungen zwischen China und Deutschland werden immer enger, vor allem im wirtschaftlichen Bereich. Wir beobachten, dass in den Breitenmedien diese Beziehungen ausschließlich in den Begriffen von Wirtschaftsinteressen, Geopolitik, Menschenrechten, usw. diskutiert werden. Hier sollten wir eine Perspektive entwickeln, welche die Linke handlungsfähig macht, und die Logik des dominanten Diskurses aufbrechen kann. Wir wollen deutlich machen, wie komplex die chinesische Gesellschaft ist, wie viele verschiedene Formen z.B. des Widerstands es gibt, und dass diese sich in den Grundthemen gar nicht sehr von denen hier unterscheiden. Außerdem haben wir natürlich auch einfach ein persönliches Interesse am Geschehen dort.
3.Wie setzt ihr derzeit eure politische Arbeit um?
Unsere bisher größte Aktion war die Ausrichtung der Aktionstage ‚‚No Summit But Solidarity“ im September letzten Jahres. Da haben wir mit vielen Mitstreiter*Innen aus der Plattform gegen den EU-China-Gipfel verschiedene Infoveranstaltungen und Diskussionen organisiert, damals noch unter dem Namen Leipzig stands with Hong Kong. Vor Corona haben wir auch manchmal als Gruppe an Demos teilgenommen, Redebeiträge verfasst, usw. In letzter Zeit arbeiten wir verstärkt an eigenen medialen Inhalten. Außerdem haben wir ein Übersetzungsprojekt begonnen: Wir wollen auf unserer neuen Webseite verschiedene Texte aus China, die sich mit Kämpfen von unten befassen, in deutscher Sprache zugänglich machen.
4.Wie schätzt ihr den derzeitigen Diskurs ein innerhalb der deutschen Linken bezüglich der Thematik auf die ihr euch fokussiert habt?
Insgesamt schwach ausgeprägt, es wird auch immer mal wieder festgestellt, dass da eine große Lücke im Diskurs klafft, gemessen an der Bedeutung Chinas in der Welt und auch für unsere Situation hier. Der Diskurs hat in letzter Zeit etwas an Dynamik gewonnen, ist aber nach wie vor relativ ungeordnet. Es gibt sehr unterschiedliche Sichtweisen auf den chinesischen Staat und die KP. Unsere Position, China als kapitalistisch und die KP als autoritär zu verstehen, trifft teilweise auf Skepsis. Es gibt besonders in der Partei Die Linke nach wie vor einige Personen, welche die Volksrepublik idealisieren und in ihr wirklich eine sozialistische Gesellschaft sehen, wie der ‚‚Ehrenvorsitzende“ Hans Modrow. Für uns erübrigt sich die Frage, ob China sozialistisch ist. Ein System, in dem Menschen im Rahmen einer Marktwirtschaft ihre Arbeitskraft für Lohn verkaufen müssen, um ihr Überleben zu sichern, indem sie Miete bezahlen an private Wohnungseigentümer und für Privatfirmen arbeiten, wird allgemein als kapitalistisch bezeichnet. Chinesische Konzerne sind Teil des globalen Marktes und konkurrieren mit anderen kapitalistischen Konzernen um Anteile an diesem Markt. Deshalb verstehen wir auch die Konkurrenz zwischen den USA, China und auch der EU nicht als ‚‚Wettstreit der Systeme“ im Sinne von Kapitalismus vs. Sozialismus, sondern als Konflikt zwischen verschiedenen Akteuren, die für jeweils unterschiedliche Ausprägungen von Kapitalismus und Imperialismus stehen. Wir finden die Diskussion darüber ziemlich unergiebig und versuchen, uns mit progressiven Kräften in China zu solidarisieren.
5.Worin seht ihr Gründe für die fehlende Auseinandersetzung mit dem ostasiatischen Raum innerhalb der deutschen Linken?
Gute Frage. Generell wissen die meisten Leute wenig über politische Kämpfe in China. Eine Solidarisierung bleibt auch oft aus, weil es aus Sicht der deutschen Linken schwer fällt ein Links-Rechts Spektrum, wie es hier existiert, auf China zu übertragen. Die Begriffe ‚‚Links“ und ‚‚Rechts“ sind in China ganz anders besetzt. Wenn die Kämpfe nicht sofort verortet werden können, geht das Interesse bei den Leuten hier wahrscheinlich oft nicht weit genug, um genauer hinzusehen. Aber natürlich gibt es Leute in China, die Positionen vertreten, die wir hier als ‚‚links“ verstehen, und die z.B. marxistisch geprägt sind.
Zum anderen ist da auch die Sprachbarriere, Originaltexte werden selten übersetzt und der allergrößte Teil der Auseinandersetzung mit China in der internationalen Linken erfolgt auf Englisch. Es erfordert durchaus Einarbeitung, sich damit auseinanderzusetzen. Außerdem haben wir, wie gesagt, das Problem, dass der Diskurs um China in Deutschland fast ausschließlich von neoliberalen und rechts-offenen, nationalistischen Positionen besetzt ist. Da entwickeln Linke dann eine Skepsis und denken vielleicht, dass die diskutierten Probleme aus einer linken Weltsicht nicht relevant sind. Wahrscheinlich haben auch viele berechtigte Bedenken, rassistische Stereotype zu befeuern durch undifferenzierte Kritik in Form von ‚‚China-bashing“. Von jeher existierender Rassimus, der sich gegen asiatisch gelesene Personen richtet, hat weiter zugenommen. Dieser reicht von offen gewalttätigen Übergriffen bis hin zu verbalen Mikroaggressionen und struktureller Diskriminierung. Diskriminierende Denkmuster werden dabei nicht zuletzt durch eine undifferenzierte Medienberichterstattung über Covid-19 weiter verstärkt.
Auch vor dem Hintergrund des Handelskrieges zwischen den USA und China, und der Polemik von Donald Trump gegen China, will man auf jeden Fall vermeiden, in eine ‚‚Kalter-Krieg“-Rhetorik zu verfallen.
6.Warum ist eine Auseinandersetzung wichtig?
Weil aktuell zu China fast ausschließlich aus einer neoliberalen Sicht berichtet wird. Wir finden, China ist nicht nur Wirtschaftspartner oder Konkurrent, nein, dort leben Menschen, dort wird für Feminismus, faire Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung gekämpft und wir müssen diese Kämpfe aus all dem kapitalistischen, ausbeuterischen Diskurs heraustrennen und ihnen eine Bühne geben.
7.Welche Möglichkeiten,wie z.B. Medien oder Texte würdet ihr empfehlen um sich zu informieren?
Wir selbst hosten einen Twitteraccount, auf dem wir thematisch passende Artikel oder News teilen. Außerdem haben wir eine Website: https://zuohuishengleftecho.org. Hier stellen wir unter Anderem eine Sammlung verschiedener Blogs und Online-Magazine, relevante Links und die Übersetzungen zur Verfügung.
Eine dieser Seiten ist gongchao.org, wo auf verschiedenen Sprachen aus einer linken Perspektive chinabezogene Themen aufgegriffen werden. Aktuell läuft auch eine sehr empfehlenswerte Vortragsreihe von gongchao: https://www.gongchao.org/en/online-discussions/, die ist allerdings auf Englisch.
8.Kann man sich bei euch organisieren und was ist da die beste Möglichkeit?
Wir plenieren im zweiwöchigen Rhythmus. Alle Menschen, die unserem Selbstverständnis zustimmen, können bei uns mitarbeiten. Dafür kann man uns über leftecho@riseup.net anschreiben oder über die anderen Kontaktwege, die auf unserer Website stehen, kontaktieren. Natürlich achten wir dabei auf die Sicherheit der Daten und Identitäten. Schreibt uns also gern verschlüsselt (PGP-Schlüssel ist auf unserer Homepage) und anonymisiert.
Wenn man nicht direkt bei jedem Plenum dabei sein möchte, kann man auch für einzelne Projekte dabei sein. Wir suchen z.B. immer Menschen, die Chinesischkenntnisse haben, um uns bei Übersetzungen von Texten chinesischsprachiger Aktivist*Innen zu helfen.
9. Was für politische Pläne habt ihr für dieses Jahr?
Am 27.3. steht unsere Kundgebung mit euch, der NIKA Sachsen, auf dem Augustusplatz an. Dafür sind wir noch beim Zusammentragen der verschiedenen Redebeiträge und in der Mobi-Arbeit. Danach müssen wir sehen, was für Aktionen möglich sein werden.
Insgesamt konzentrieren wir uns gerade auf Öffentlichkeits- und Medienarbeit. Vor Kurzem wurde eine Radiosendung von uns bei Radio Corax gesendet, aus der ein Interview diesen Monat in der Analyse&Kritik veröffentlicht wird. Außerdem arbeiten wir parallel an Übersetzungen von Texten von chinesischsprachigen Aktivist*Innen vom Chinesischen ins Deutsche. Wir wollen uns in Zukunft auch noch stärker international vernetzen.
10.Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Einerseits gibt sehr akute Probleme, bei denen wir hoffen, dass sich besonders in der Linken ein Problembewusstsein entwickelt, wie die Lage in Xinjiang. Hier wäre es wichtig, Druck z.B. auf westliche Konzerne auszuüben, die Baumwolle aus dieser Region beziehen und Arbeitskräfte vor Ort ausbeuten. Aber auch in Hongkong werden gerade täglich Menschen festgenommen, weil sie ihr Recht auf Meinungsäußerung nutzen.
Andererseits wünschen wir uns auch einen grundlegend anderen Umgang mit dem chinesischen Raum. Aktuell wird es immer nur in wirtschaftlichen Kontexten oder einer geopolitischen Logik besprochen. Wir wünschen uns, dass China und Chines*Innen zukünftig nicht mehr auf ihre Rolle als Konkurrenz reduziert werden, sondern dass der Dialog gesucht wird. Nicht zuletzt sind Menschen, die chinesisch gelesen werden, aktuell auch verstärkt von Rassismus betroffen, welchem es gilt, entgegenzuarbeiten.
Insgesamt kann man sagen, dass wir uns wünschen, zukünftig mehr Aufmerksamkeit auf die Gruppen, Aktivist*Innen und Probleme im chinesischen Raum lenken zu können und, dass durch unsere Arbeit Unterstützung und Solidarität erzeugt wird.