In gediegener Atmosphäre, in dem bei Künstler sowie der Feierszene durchaus beliebten Nachtasyl des Thalia Theaters, wird monatlich zum „politisch-kulturellen Salon“ Am Lagerfeuer geladen, wo „Journalisten, Künstler und Kulturschaffende im Gespräch mit prominenten Gästen“ zu sehen sind. In diesem Zusammenhang ist auch den Veranstaltern des Lagerfeuers die AfD als ein diskutierenswertes, gesellschaftsrelevantes Thema aufgefallen, welches sie mit ihrer Veranstaltung „Blackbox AfD – wie ticken die Hamburger Rechtspopulisten?“ unter einem catchy Titel aufgreifen wollten.
Damit bekleiden sie dieser Tage wohl kaum eine Pionierrolle – über die AfD reden tun Alle, die wichtige Frage bleibt dabei wohl das wie. Die AfD als Facette des allgemeinen, konservativ-rechten Backlashes in Deutschland zu thematisieren ist in jederlei Hinsicht wünschenswert und eine unterstützenswerte Sache. Ein Fehler, der jedoch immer wieder begangen wird, besteht darin, die AfD in der Rolle als Expert über sich selbst zu befragen und reihenweise in die Talkshows dieses Landes einzuladen. Dies kann ganz nach dem Motto „das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint“ geschehen, oder aber aus einer Logik heraus, nach der „unsere Demokratie“ – die Demokratie der gesunden deutschen Mitte – so etwas wie die AfD „aushalten“ müsse. Unter die, zum tautologischen Mantra stilisierte Meinungsfreiheit, zählt dann eben auch das Recht auf diskriminierende Hetze, wie es bei der AfD der Fall ist, sobald sie sich politisch äußern darf.
Nach dieser Logik rechtfertigten auch die Veranstalter des „Lagerfeuers“ die Einladung des Hamburger AfD-Fraktionschefs Bernd Baumann am Abend des 2. Mai 2017 auf die Bühne des Nachtasyls, auf die es bereits im Vorhinein kritische Reaktionen in Form eines offenen Briefs gab. In der Reaktion auf die Kritik, verbannte der die Forderung der AfD keine Bühne zu bieten im Sinne von „Kein Fußbreit den Faschisten“ in die „ Mottenkiste“.
Und so begrüßte Schröder vor Veranstaltungsbeginn seinen Diskussionsgast Baumann auch nach allen Regeln der Höflichkeit, während dessen Unterstützer nach und nach eintrudelten, sich Getränke an der Bar bestellten und sich unter das Publikum mischten und Platz nahmen. Da saßen nun Seite an Seite interessierte bis kritische Linke mit AfD Parteigänger und bekannten Figuren aus dem rechten Milieus Hamburgs – eine Zusammensetzung, die in einem anderen Rahmen kaum vorstellbar wäre, in der Interpretation der Lagerfeueristen aber sogar ein Qualitätsmerkmal ihrer Veranstaltung.Als inszenatorischer Ausgangspunkt des Abends fungierte ein gemeinsamer Flugzeugabsturz der Diskussionsgäste und Moderatoren, welcher sie in einer personellen Konstellation an ein Lagerfeuer im Nirgendwo verbannte, in der sie sich selbst niemals erwartet hätten (Anmoderation). Mit dabei waren als Moderatorenteam der Lagerfeuerveranstalter Axel Schröder und der Journalist Jörn Straehler-Pohl, sowie als „Expert“ zum Thema, neben Bernd Baumann von der AfD, der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp und die Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard, die 2014 von der AfD im Zusammenhang mit dem Kunstprojekt „eco Favela Lampedusa Nord“ angezeigt worden war.
In ihrer Anmoderation ging die Diskussionssupervisorin Kathrin Erdmann auf die im Vorfeld geäußert Kritik mit dem etwas unzusammenhängenden Statement ein, Ziel dieser Veranstaltung sei transparenter Journalismus und die Wahrnehmung von Meinungs- und Redefreiheit – ein Privileg um welches „Menschen und Länder uns beneiden“ würden.
Anfangspunkt der Diskussionsrunde bildete die Anzeige der AfD gegen Amelie Deuflhard. Diese war damals im Kontext der steigenden Flüchtlingszahlen von der AfD als öffentlichkeitswirksames Instrument eingesetzt worden gegen Geflüchtete zu hetzen und ihnen ihr Recht auf Aufenthalt abzusprechen. Bernd Baumann, der rhetorisch nicht zu den Hardlinern der AfD zu zählen ist, sondern in seinem Auftreten sehr darum bemüht ist, als seriöser Berufspolitiker daherzukommen, ließ sich dadurch nicht aus der Reserve locken und umschiffte das Thema Flüchtlingsfrage gekonnt. Vielmehr entspann sich aus dieser Situation eine Diskussion um das Kulturverständnis der AfD und schließlich zur vermeintlichen Macht der „meinungsbildenden Eliten“, welche die 68er Bewegung hervorgebracht und die sich mit ihrem „Marsch durch die Institutionen“ eine hegemoniale Position in der deutschen Öffentlichkeit gesichert hätte, zu der sich die AfD als deutscher Vertreter einer europaweiten Gegenbewegung sieht. So konnte Baumann auch noch sein krudes rechtes Geschichtsbild propagieren und deutete unter anderem an, dass der Nationalsozialismus eben auch nur als eine Gegenbewegung zu den liberalen Auswüchsen seiner Zeit zu verstehen sei.
Trotz diverser formaler Vorkehrungen konnte Baumann enorm viel Redezeit einnehmen, was in der Hoffnung, dieser würde sich angreifbar machen eventuell auch gewollt war. Eine Rechnung die zu großen Teilen nicht aufging. Das Moderatorenteam wirkte nicht selten überfordert und verließ seine Rolle mehrfach, was in dem naiven Versuch seitens Straehler-Pohl endete, seine eigene Homosexualität zum Thema zu machen und Baumann anzuklagen er fühle sich von der AfD in diesem Punkt persönlich beleidigt, als würde er von diesem eine Entschuldigung einfordern. Dem üblichen AfD-Protokoll folgend verneinte Baumann den Vorwurf der Homophobie unter besonderem Verweis auf die lesbische AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, was von den Diskutant als positives Zeichen gewertet wurde und worauf auch keine weitere Argumentation folgte. Die AfD konnte sich an diesem Abend mehr oder minder unwidersprochen des Vorwurfes der Homophobie entledigen.Schwach und fragwürdig waren auch die wiederholten Versuche der Kampnagel Intendantin Deuflhard das Thema Geflüchtete auf die Tagesordnung zu bringen und Baumann zu offen rassistischen Aussagen zu bewegen, indem sie davon sprach, wie sehr sie kulturelle Vielfalt als Bereicherung wahrnehme und wie besonders gerne sie international essen gehe und was Baumann dagegen hätte. Als hätte man es bei Baumann mit einem dummen Neonazi zu tun, zu dessen rassistischer Praxis es gehöre Wurst statt Döner zu fordern. So konnte Baumann diesen nicht besonders ausgefeilten Versuch des Angriffs unbeantwortet lassen. Es verblieb der Eindruck, die Schicksalsgemeinschaft der Künstler und Kulturschaffenden, die sich selbst für die besonders kompetenten Diskussionsgegner der AfD gehalten hatten, hätten so überhaupt kein Verständnis davon, mit was für einer Erscheinungsform von rechtem Gedankengut sie es zu tun hatten.
Nur passend zur Gestaltung des ganzen Abends, waren die zwei Gesangseinlagen zur Pause und zum Ende der Veranstaltung, als die Diskutanten und das rechtsdurchsetzte Publikum zunächst „Where have all the flowers gone“ (jeder hat wohl seine eigene „Mottenkiste“ aus der er sich bedient) und das schrecklich heimattümliche Lied Country Roads trällern sollten. Allen voran Delphine Thiermann, verbindendes Glied zwischen der Jungen Alternative und dem Hamburger Ableger der Identitären Bewegung. Der Gitarrist entließ das Publikum dann zunächst mit den Worten, dass er es stark fände, dass trotz der unterschiedlichen Meinung die man vertrete, trotzdem zusammen gesungen werde in den gediegenen Barabend mit rechten Mitbürger. Als das Barpersonal „Nazis raus“ Rufe anstimmt, der demokratische Rahmen für jedoch gesprengt und rf nochmal durchs Mikrophon zu weniger Hass auf.
Bilanz des Abends: Der AfD wurde eine Bühne geboten. Nicht nur konnte Bernd Baumann rechte Hetze verbreiten, er konnte sich sogar noch profilieren, auf eine eher linkskulturelle Bühne eingeladen worden zu sein und sich in einer Diskussion behaupte zu haben, die ihn mit der Aufteilung vier gegen Baumann sogar noch in die Position des Underdogs drängte, was der Selbstdarstellung der AfD bestens entspricht. Die ganzen Unterstützer Baumanns konnten sich in einem Raum breitmachen und willkommen fühlen, zu welchem sie eigentlich keinen Zutritt haben sollten. Es hat sich auch gezeigt, dass die Argumente derer, die sich als „gesellschaftliche Mitte“ wahrnehmen auf einem verdrehten Demokratie- und Meinungsfreiheitsgedanken fußen, welcher der rechten Hetze á la AfD nichts entgegenzusetzen vermögen. Anstatt mit der AfD zu diskutieren, sollte über sie diskutiert werden und darüber welche Rolle rassistisches, antisemitisches, sexistisches und homophobes Gedankengut in der Gesellschaft insgesamt spielt. Das ist womöglich aber weniger catchy, sonst wären auf den zahlreichen Veranstaltungen wohl mehr Leute anwesend. Die Einladung der AfD ins Nachtasyl bediente demgegenüber einen Eventcharakter, sich „die da“ mal anschauen zu wollen. Es bleibt der Eindruck, dass sich der ein oder andere mit dieser Veranstaltung im „verruchten“ Ruhm der AfD sonnen wollte und weniger eine sinnvolle politische Strategie verfolgt hat.
NIKA Hamburg