Am 17. Juni wollen mehrere Hundert Aktivist_innen und Sympathisant_innen der „Identitären Bewegung“ (IB) in Berlin durch das Regierungsviertel marschieren. Neben Teilnehmer_innen aus verschiednenen Ländern Europas, wird die Veranstaltung vor allem ein Stelldichein der deutschen IB-Gruppen werden. Auch die Hamburger Gruppe wird in Berlin sein. Wir als Hamburger Antifaschist_innen wollen ihnen diesen Ausflug vermiesen und rufen dazu auf, mit uns zu kommen und sich an den Gegenprotesten in Berlin zu beteiligen. Aus diesem Grund wird es eine Antifa-Busanreise aus Hamburg geben.
Intellektuell und sportlich, heimattreu und doch modern – so sehen sich die Aktivist_innen der IB gerne selbst. Und so wirbt die aus Frankreich stammende Organisation nun auch in Deutschland seit wenigen Jahren mit pathetischen Videoclips, der umfangreichen Nutzung sozialer Medien und der Durchführung medienwirksamer Agitprop-Aktionen für völkischen Geist und nationales Bewusstsein. Selbstverständlich ohne sich durch eingestaubte oder gar neonazistische Begriffe zu diskreditieren. In Szene setzt der betont hippe Traditionsverband dabei unter Anderem die Gefahr angeblicher „Überfremdung“ (den „großen Austausch“), einen vermeintlichen „Gender-Wahnsinn“ oder auch einer herbeiphantasierten hegemonialen „political correctness der 68er“. Das kulturrassistische Konzept des „Ethnopluralismus“ tritt hier ideologisch weitestgehend an die Stelle eines biologischen Rassismus und zeigt sich als Kernthema der IB.
Zu diesem inszenierten Weltschmerz kommt eine gefährliche und ernstzunehmende Rhetorik des „Widerstandes“ als Chiffre für Gewalt. Diesen „patriotischen Widerstand“unterscheidet vom „Nationalen Widerstand“, als Stichwort autonomer Nationalist_innen, wohl maximal die bessere Anschlussfähigkeit. Gleich dem Kampf der Spartaner gegen eine Übermacht von Persern in der martialischen Comic-Verfilmung 300, der die IB ihr Logo – das griechische Lambda – entlehnt, wird hier ein bevorstehender Existenzkampf gegen „fremdländische Horden“ propagiert. So stilisiert sich die IB als letzte Generation in einem finalen Kampf gegen „Multikulti“ und „Überfremdung“. Wirkt krude, ist es auch. Auf diesen Kampf wird sich unter anderem durch gemeinsames Kampfsporttraining vorbereitet. Einzelne Aktive der IB weisen auch eine Nähe zum Militärischen auf und zeigen sich zum Teil äußerst gewaltbereit. Dies beweist auch der lebensgefährliche Messerangriff auf einen Antifaschisten in Lübeck. (https://linksunten.indymedia.org/node/204285)
Und dennoch, der Casual Look der IB will sagen: wir sind keine Extremisten, wir kommen aus der politischen Mitte der deutschen Gesellschaft. Die Faktenlage offenbart ein anderes Bild. Eng angegliedert an vornehmlich ultrarechte Burschenschaften, an die Alternative für Deutschland (AfD) und auch an neonazistische Kreise, sowie völkische Siedler, stellt die IB als lockere und verhältnismäßig offene „Jugendorganisation“ einen Katalysator in Richtung rechter Eliten und ein Bindeglied verschiedener rechter Spektren dar. Rechte Intellektuelle, wie auch militante Kreise finden hier Anschluss. Mit dieser verhältnismäßig neuen Form rechter Organisation bewegen sich die Identitären heute zum Teil noch unter dem staatlichen und zivilgesellschaftlichen Radar. In Hamburg ist es diesem politischen Mimikry geschuldet, dass die IB hier zu der aktivsten Nazigruppe der Stadt lancieren konnte.
Auch wenn die Kommunikationsguerilla-Aktionen oft peinlich wirken und sich das jammernde Rumopfern in unzähligen glossy Youtube-Clips schnell als anhaltendes Déjà-vu offenbart, scheint das deutsch-nationale Marketing zum Teil aufzugehen. Die IB bietet mit ihrer Mischung aus Popkultur, Pathos und rechter Theorie etwas, dass es so bisher in Deutschland nicht gab. In die aktuelle politische Entwicklung, der Verfestigung eines starken und breiten Rassismus als Normalzustand lässt sich dieses Konzept gut integrieren. Wie der AfD, als Parteiwerdung dieses Prozesses, gilt es auch der IB auf konsequente Weise entgegenzutreten. Gerade weil wir die IB im Fokus zukünftiger antifaschistischer Politik sehen, erscheint uns falsches Understatement im Protest gegen sie unangebracht.
Deshalb: Nationalismus ist keine Alternative. Patriotismus keine Option. Der „Identitären Bewegung“ den Sommer verhageln!
Info- und Mobi-Veranstaltungen finden wie folgt statt:
09.06. – 20:00 Uhr – Rote Flora
Antiba*r – Mobi-Veranstaltung
+ IB-Bingo
13.06. – 18:30 Uhr – HAW
Asta HAW – Info-Veranstaltung
16.06. – 20:00 Uhr – Rote Flora
Antifa Tresen – letzte Updates
Fahrkarten für die gemeinsame Busanreise mit Nika Hamburg und dem Asta der HAW bekommt ihr bei allen Mobi-Veranstaltungen, im Infoladen Schwarzmarkt und dem Infoladen Wilhelmsburg.
Wie sich die Identitäre Bewegung personell in Norddeutschland aufstellt, kann in diesem Artikel nachvollzogen werden:
https://linksunten.indymedia.org/en/node/202765
Informationen zu den Gegenprotesten findet ihr unter anderem auf:
https://berlingegenrechts.de/2017/05/22/alter-was-geht-keine-identitaere-demo-in-berlin-am-17-06/
https://linksunten.indymedia.org/de/node/211507
Infos rund um Antifa in Hamburg gibt es hier:
#nonazishh / #noibhh / #noafdhh
AUFRUF ALS .PDF: a5_falz_flyer_4seitig