Aufruf zum antinationalen & antiautoritären NIKA-Block auf der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Stuttgart
13 Uhr: Stuttgart Hauptbahnhof
We have a Deal…
Spätestens mit dem EU-Erdogan-Deal ist klar: Die Renovierung der Festung Europa ist abgeschlossen. Die Realpolitik hat der Unmenschlichkeit eine weitere Laufzeitverlängerung gewährt. In der Kombination aus Zusammenarbeit mit örtlichen Statthaltern des europäischen Grenzregimes, Internierung vermeintlicher Wirtschaftsflüchtlingen und „smart Borders with barbwire“, die nur die happy few durch lassen, damit sie als Frischfleisch der stotternden Verwertungsmaschiene vernutzt werden können, ist die Spur gelegt. Der Deal ist eine Blaupause für den Umgang mit den anderen Fluchtrouten, über Libyen und anderswo. Zwar gibt es Kritik daran, aus der Zivilgesellschaft und von Menschenrechtsgruppen. Aber unterm Strich ist man sich von TAZ bis FAZ einig: Mag sein, dass Erdogan ein blutrünstiger Diktator ist, der jene kurdischen Leichenberge produziert, über die das Europa mit dem freundlichen Gesicht dann hin und wieder doch mit ernster Miene steigen muss. Mag auch sein, dass er ein cholerischer Diktator ohne Humor ist, der zu viel deutsches Fernsehen kuckt. Aber immerhin ist er „unser Bastard“ und ohne fiese Türsteher kann man heutzutage schließlich nirgendwo mehr seine Privilegien ungestört genießen. Das Ergebnis: Die Zahl der Menschen, die es zu uns schaffen, geht zurück – und als sei damit nur irgendetwas an der ungerechten Einrichtung der Welt geändert worden, wird das als Entwarnung und Erfolg zugleich vermeldet.
Neue deutsche Härte
Das Ping-Pong Spiel zwischen den Gemeinen aus der neoliberalen Mitte und den Bösen vom völkischen Rand, hat – frei nach Georg Seeßlen – die Dummen vor den Bildschirmen derart hypnotisiert, dass die Engagierten in den Turnhallen und Initiativen bisher kein politisches Problem für die Verwaltung des Status Quo geworden sind. Jetzt noch einige Wochen „ein paar harte Bilder“ aushalten, dann könnte die Flüchtlingskrise ausgestanden sein, freut sich der Bundeskanzlerin ihr Innenminister. Die Toten werden ja nicht an unsere Strände gespült und mit denen, die es bisher ins europäische Zentrum geschafft haben, werden wir mit ein bisschen Sozialklimbim hier und einigen Gesetzesverschärfungen dort auch noch fertig. Die kurze Irritation, die der Sommer der Migration und das Auftauchen der Kollateralschäden des Kapitalismus in der eigenen Nachbarschaft produziert haben, scheint erstmal eingehegt. Nachdem die Überflüssigen aus der Peripherie große Löcher in Mauern der Festung gerissen haben, herrscht wieder Ordnung. Auf den arabischen wie den griechischen Frühling ist ein europäischer Winter des Ausnahmezustandes und der Abschottung gefolgt. Nun steht wieder Kampf um die Krümel und Verwaltung der Bäckerei, statt deren grundsätzliche Veränderung auf der Tagesordnung.
Time to act
So deprimierend muss es aber nicht bleiben. Denn schon ein Blick nach Frankreich zeigt: Der europäische Kapitalismus hat seine Strukturprobleme nicht überwunden und das kann die Prekarisierten auch gegen das Schweinsystem – statt gegen die armen Schweine von Nebenan – auf die Straße treiben. Mehr noch: Wenn die gefühlte Außentemperatur stimmt, kann daraus sogar ein ordentlicher Aufstand werden und wenn die letzten Jahre in Europa eins gezeigt haben, dann dass die Einschläge näher kommen. Aber Dresden ist nicht Paris und dass die Situation hierzulande, allen Hoffnungen auf eine europäische Öffentlichkeit zum Trotz, insgesamt immer noch anders aussieht, hat systemische Gründe. Denn die Stabilität des autoritären Wettbewerbsstaates deutscher Prägung basiert auf einer umfassenden, ökonomischen wie ideologischen Einbindung zentraler Teile der Lohnabhängigen. Die doppelte Verstaatlichung wesentlicher Teile Proletariats wird im Land des Exportweltmeisters damit bezahlt, dass deren Kosten auf dem Weltmarkt outgesourct & in die Peripherie abgeschoben werden. Flankiert wird sie von der politischen Einbindung selbst weiter Teile einer links-liberalen Öffentlichkeit in die Standortdeutschlandfamily, die sich ihre kritische Distanziertheit im Detail mit einem grundsätzlichen Einverständnis zum nationalen Geschäftsmodell erkauft. Auf ökonomischer Ebene sind es die großen Industrie-Gewerkschaften auf politischer Ebene nicht zuletzt die Grünen, die beispielhaft für diese Einbindung in die Deutschland AG stehen. Die nationalistische Einteilung der Welt in „die“ und „wir“ ist ihre gemeinsame Geschäftsgrundlage. Wer an den bleiernen Zuständen in diesem Land irgendwann etwas ändern will, muss hier den Hebel ansetzen.
Müll trennen und Ausländer abschieben
Die linken Niederlagen von 2015 definieren die Rolle der radikalen Linken neu: Anstatt sich mit den schwarz-grün-roten Sachverwaltern der bestehenden Ordnung, die mit ihren Parteien und Institutionen – allem guten Zureden zum Trotz – offenbar Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind, nun in eine Volksfront gegen rechts einzureihen, sollte sie ihren emanzipatorischen Begriff von Antifa verteidigen. Das heißt gegen den Nationalismus vorzugehen, der sich in der BRD inzwischen in der parteiübergreifenden Zustimmung zur autoritären Krisen- und Abschottungspolitik artikuliert. Die AfD von heute ist schließlich nicht die NSDAP von damals: Ihre Gefährlichkeit liegt nicht in einer drohenden Machtübernahme, sondern in der weiteren Verschiebung des Diskurses nach rechts, hin zu einer noch aggressiveren Durchsetzung der Vorrechte von Etablierten und weißen, männlichen Staatsbürgern. Alle versuchen, dieser Verschiebung mit dem Verweis auf die demokratischen Sitten entgegen treten zu wollen, sind mehr als nur traurig: sie machen sich zum Werkzeug für den falschen Zweck. Auch einfach mehr Geld für Soziales würde den Rassismus nicht stoppen. Was überall als „Ängste“ der AfD-Wähler vor „Kriminalität“, „Überfremdung“ und „islamischer Unterwerfung“ bezeichnet wird, markiert in Wahrheit deren sehnlichste Wünsche: Endlich mal die Sau raus lassen und auf anderen rumtrampeln dürfen. Dagegen hilft kein „Aufstand der Anständigen“, sondern nur – auch wenn es oldschool klingen mag – ein anständiger Aufstand, der den autoritären Charakteren ihre Schranken aufzeigt und, viel wichtiger noch, Bezugspunkt eines tatsächlich glaubwürdigen Ausbruchs aus der schlechten Verwaltung des Bestehenden werden könnte.
Stuttgart als Lebensform
Vor diesem Hintergrund ist es ein schöner Zufall, dass der bundesweite AfD-Parteitag in Stuttgart stattfindet. Stuttgart, die Stadt in der die homophoben „Demo für alle“ regelmässig von der Polizei durchgesetzt wird. Stuttgart, dieses „starke Stück Deutschland“ in dem der Krisenkorporatismus von Mercedes-Benz, die schreckliche Gemütlichkeit von Maultäschle und Spätzle und der zukünftige schwarz-grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, als ideelles Gesamtschwein, eine zähe Verbindung eingegangen sind, wird damit im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Hier wurde die Zustimmung der Grünen zur neuen Abschottung Europas organisiert und hier wird die grün-schwarze Koalition als Modell für das ganze Land inszeniert werden. Hier ist, mit anderen Worten, der ideale Ort, um dem nationalen Konsens, der von Linken wie Sahra Wagenknecht über die liberale Mitte bis Rechtsaußen in einer allgemeinen Sorge um Deutschland besteht, mit dem nötigen Nachdruck die Perspektive einer unbegrenzten Solidarität entgegen zu setzen. Deswegen stehen alle Aktionen, die wir am 30.4. unternehmen, unter dem Imperativ, den nationalen Konsens zu brechen. Es gilt an den Rissen im grün-schwarzen Schnellbeton die Hebel anzusetzen, um sie wenigstens symbolisch aufzubrechen. Nur dann kann Licht durch scheinen.
Am 30. April:
- 7 Uhr: Blockaden und Proteste rund um AfD-Bundesprogrammparteitag in der Stuttgarter Messe
- 13 Uhr: NIKA-Block auf der Demonstration am Hauptbahnhof Stuttgart