Am 29. September kommt der türkische Staatspräsident Erdoğan im Rahmen seines Staatsbesuchs nach Köln. Offizieller Anlass ist die nachträgliche Einweihung der Ehrenfelder Großmoschee, deren Gemeinde dem Dachverband DITIB angehört.
Die übliche Reaktion, die Erdoğans politischer Wirkmächtigkeit auf die türkische Community in Deutschland entgegen schlägt, ist Rassismus, der sich als Demokratieverteidigung verkleidet. Es heißt dann, diejenigen, die “unsere deutschen Werte” nicht achten, sollten „dahin zurückgehen, wo sie herkommen“ – auch wenn sie diesen “Herkunftsort” niemals in ihrem Leben betreten haben. Durch die Verallgemei1nerung, in der der Verdacht der Demokratiefeindlichkeit gegen alle türkischstämmigen Menschen ausgesprochen wird, zeigt sich dessen rassistischer Gehalt klar.
Dies wird im Vergleich noch deutlicher: Den vielen Menschen mit ausreichend volksdeutschem Stammbaum, die sich dieser Tage als Fans der gewaltsamen, autoritären Revolte von rechts outen, schlägt diese Abwehr nicht entgegen – schließlich können diese sich entlang völkisch-nationalistischer Argumentationen als “berechtigt” in Deutschland ausweisen. Mitmenschen mit türkischem Migrationshintergrund wird dies abgesprochen. Von Ihnen wird verlangt, zu vermeintlich demokratiebezogenen Sorgen Stellung zu beziehen.
Den türkischstämmigen Menschen, die von der gleichwertigen sozialen, kulturellen und materiellen Teilhabe in der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen werden, bietet der türkische Nationalismus der Erdogan‘schen Prägung einen identitären Standort. In der deutschen Gesellschaft leiden sie unter alltäglichem wie strukturellem Rassismus: Neben ständigen Bedrohungen und Vorurteilen haben sie mit schlechterer Entlohnung und eingechränktem Zugang zu Wohnraum zu kämpfen. Das Erdoğan-Regime bietet ihnen keine materielle Verbesserung an, aber die Möglichkeit, sich als Teil eines starken Kollektivs zu fühlen und durch die Repression gegen die von diesem Kollektiv bestimmten Ziele (Kurd*innen, Alevit*innen etc.) eigene Stärke zu simulieren. Hierbei wird die DITIB vom System Erdogan zum Erfüllungsgehilfen gemacht. Im Auftrag der türkischen Regierung soll sie die im Ausland lebenden Türk*innen und türkischstämmigen Menschen an ihre “Heimat” binden. Auch wenn sie nicht in der Türkei leben – der türkische Staat erhebt den Anspruch, sie vertreten zu dürfen, weil sie, wie es der damals dem “Amt für Auslandstürken” vorstehende Bekir Bozdağ 2013 ausdrückte, “Menschen aus unserer Rasse sind”.
Wer die Demokratiefeindlichkeit als Argument für die Abgrenzung der Rassist*innen von ihren türkischen Mitmenschen für bare Münze nimmt, der sollte annehmen, dass die deutsche Regierung hingegen ein System des verantwortungsvollen Humanismus an den Tag legt, das sich von den Methoden des Erdogan-Regimes grundlegend unterscheidet und von diesen distanziert. Nur ein kurzer Blick in die aktuellsten Tagesgeschehnisse erweist diese Annahme aber als vollkommen falsch. Die NATO-Partnerinnen BRD und Türkei kooperieren sowohl auf politischer wie auf wirtschaftlicher Ebene vertrauensvoll miteinander. Die Außengrenzen der EU, an denen jedes Jahr tausende Menschen elendig zugrunde gehen, werden auch in der Türkei verteidigt – eben von dem Regime, über das sich vordergründig empört wird. Die Abschottung von der weltweiten Armut, welche die Kehrseite des eigenen Reichtums ist, wird unter anderem vom gescholtenen Erdogan-Regime organisiert. Erdogan ist der als rüpelhaft verachtete Türsteher des exklusiven EU-Clubs der reichen Standorte unter deutscher Regie. Die Forderung, dass die “Friedensmacht” EU dem Brutalo endlich mal auf die Füße treten müsste, ist also eine selbstgerechte Phantasie: Diese würde ihre eigenen Existenzbedingungen untergraben.
Eng ist auch die wirtschaftliche Verflechtung. Die deutschen Waffenexporte sichern Arbeitsplätze und Wohlstand in einer Gesellschaft, die sich als eine der freiesten des Planeten ausgibt. Der Wohlstand ist aber eine der elementaren Bedingungen der falschen Freiheit. Sie ist falsch, weil ihre materiellen Grundlagen auf der gewaltsamen Unterdrückung in anderen Teilen der Welt basiert, deren Ausführungsmittel die verkauften Waffen sind.
Mit der großzügigen militärischen Unterstützung setzte Erdogan den mörderischen Krieg gegen die Kurd*innen fort und mobilisierte die Bevölkerung gegen tatsächliche oder angebliche Putschist*innen. Jede Kritik an der grassierenden Korruption in Erdoğans Kabinett, der lokalimperialistischen Aggression gegen die Kurd*innen, der Zerschlagung privater Rückzugsräume, wurde als Zersetzung der türkischen Wehrkraft gegen innere und äußere Feind*innen gebrandmarkt und entsprechend drakonisch bestraft. Erdoğans Wechsel vom neoliberalen Umbauer der türkischen Wirtschaft zum protofaschistischen Mobilisierer der gesamten Gesellschaft reiht sich ein in einen internationalen Rechtsruck, dessen Bedingung das verloren gegangene Vertrauen in die liberale Demokratie bei gleichzeitiger Unfähigkeit der Linken, eine gesellschaftliche Alternative zu präsentieren, war. Erdoğan institutionalisiert den Ausnahmezustand, um sich die Türkei restlos gefügig zu machen; Auf Massenveranstaltungen, auf denen der „Reis“ (türkisch: Führer) auftritt, fordert er unbedingten Gehorsam und totale Opferbereitschaft aller derjenigen, die nach seinem Verständnis Volkstürk*innen sind.
Es sollte klar sein, dass dieser widerliche faschistische Hetzer, dessen Angebot an die türkische Diaspora in Deutschland die Partizipation in seinem rassistischen Kriegskollektiv ist, für die sozialen Probleme, an denen diese leidet, nicht nur keinerlei Lösung bietet, sondern sie zu Kompliz*innen seiner mörderischen Verbrechen machen will.
Eine Lösung kann nur eine gemeinsame internationale Bewegung bieten, die sich Faschismus und Rassismus entgegenstellt – egal wo sie ihr hässliches Gesicht erheben!
Kommt am Samstag nach Köln: Erst zusammen gegen Erdoğan und die deutsche Kolloboration mit dem AKP-Regime und danach den deutschen Faschist*innen am Hauptbahnhof entgegentreten!
Bündnisaufruf und Infos zur Großdemonstration: erdogannotwelcome.wordpress.com/koln
Aktionen gegen die Faschist*innen vom „Begleitschutz Köln“ gegenrechts.koeln
Faşizme Karşı! Gegen die autoritäre Formierung weltweit
Kommt zum antifaschistischen Block auf der Großdemonstration gegen den Erdoğan Besuch!
Erdogan not Welcome! Keine schmutzigen Deals mit der Türkei! Samstag, 29.09.2018, 11 Uhr Deutzer Werft