Über den KZ-Überlebenden, Antifaschisten und Kämpfer für eine gerechte Welt, Martin Löwenberg
Antifaschistische Geschichte ist auch die Geschichte von einzelnen Personen, von ihren Kämpfen und ihren Ideen. Die Geschichte von Martin Löwenberg ist in dieser Hinsicht besonders bemerkenswert, denn Martin ist sein ganzes Leben lang für die Ideale einer besseren und gerechteren Welt eingetreten – trotz heftigster Angriffe und scheinbar unüberwindbarer Gegenmacht. Verdichtet und sicherlich nicht repräsentativ für alle lässt sich anhand von Martins Leben aber auch die Geschichte antifaschistischer und linker Bewegungen von den 30er Jahren bis in die Gegenwart nachvollziehen.
Martin wurde 1925 in eine sozialdemokratische Familie geboren. Als Linker und Sohn eines jüdischen Vaters geriet er bald mit dem nationalsozialistischen Regime in Konflikt. Bereits in Teenager-Jahren beteiligte er sich an Widerstandshandlungen auf unterschiedlichen Ebenen, mit ein Grund für seine KZ-Inhaftierung im Mai 1944. Nach der Befreiung am 7. Mai 1945 durch die Rote Armee ist Martin weiterhin seinen Überzeugungen treu geblieben. So gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und war alsbald in weiteren linken Gruppen aktiv. In der BRD, deren Institutionen von Altnazis durchsetzt waren, musste Martin bald einen hohen Preis dafür zahlen. Die Losung „Nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg“ war für ihn mehr als leere Worte, wie übrigens für Hunderttausende der mittlerweile weitgehend vergessenen Bewegung gegen die militärische Wiederbewaffnung (West-)Deutschlands.
Mittlerweile nach München gezogen, erlebte er am 11. Mai 1952 in Essen, wie sein Freund und Genosse Philipp Müller auf einer nicht-genehmigten antimilitaristischen Demo von der Polizei erschossen wurde. Polizei und Justiz – beides Apparate, in denen eine vormalige NSDAP Mitgliedschaft eher Einstellungsgrund als Hindernis waren – drangsalierten Martin Löwenberg auch nach 1945: Wegen seines Engagements in der nach 1956 verbotenen KPD. Insgesamt 16 Monate wurde er in isolierte Einzelhaft gesperrt.
Ab den 60er Jahren betätigte sich Martin viel im gewerkschaftlichen Bereich und war lange Jahre Betriebsrat. In den 80ern versuchte er die Zusammenarbeit zwischen Arbeiter_innenbewegung und Umweltbewegung zu forcieren, unter anderem bei den damals neu gegründeten Grünen. Hieran lässt sich Martins politische Sensibilität erkennen, auch auf neue politische Akteur_innen zuzugehen und etablierte Wege zu erweitern. Der Brückenschlag von traditioneller Arbeiter_innenbewegung zu den neuen sozialen Bewegungen war ihm wichtig, allerdings nicht zu jedem Preis und so verließ er die Partei, als sie ihm zu rechts wurde.
Antimilitarismus hat Martin stets als elementaren Bestandteil des Kampfs gegen Rechts verstanden. So gehörte er in den 1990er zu den Mitgründer_innen des „Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus“, eines breiteren linken Zusammenhangs, der sich, aus der Friedensbewegung der 80er Jahre stammend, auch in der Antiglobalisierungsbewegung betätigte und nach verschiedenen Wandlungen bis heute aktiv ist.
Besondere Prominenz erlangte Martin im Zuge der Proteste gegen den Naziaufmarsch anlässlich der sogenannten Wehrmachtsausstellung 2002. In einer bis dato unbekannten Breite wandte sich ein Bündnis aus alten und neuen Nazis in einem Brückenschlag bis weit ins konservative Milieu hinein gegen eine Wanderausstellung. Die Ausstellung thematisierte die Verbrechen der Wehrmacht und trug entscheidend dazu bei, das öffentliche Bild der „sauberen“ Wehrmacht zu demontieren. Sie machte der breiten Bevölkerung klar, dass die Verbrechen der Shoah und des Vernichtungskriegs von weiten Teilen des deutschen Militärs getragen wurden. 800 Nazis wurden im November 2002 von mehreren Tausend Antifaschist_innen blockiert und konnten nicht wie geplant laufen. Martin hatte zuvor auf einer Kundgebung dazu aufgerufen, sich den Nazis in den Weg zu stellen. Er erhielt prompt eine Anzeige und wurde dafür im Anschluss verurteilt. Besonders schäbig: in in den Polizei-Akten wurde der Widerstandskämpfer und KZ-Überlebende als „KFZ-Häftling“ geführt.
Dass Martin älter wurde, beflügelte seine politische Arbeit sogar noch. Martin war auf vielen Demos Redner, organisierte im Hintergrund mit, war als Aktivist präsent. Gerade die Jugendarbeit war ihm persönlich ein Anliegen. So gab es kaum eine Vortragsanfrage, die er ausschlug, nie wirkte er unnahbar oder unansprechbar, speziell gegenüber jungen Leuten. Gerade aufgrund seiner Biographie war Martin keine graue Eminenz im Hintergrund, sondern saß als ein Genosse unter vielen auf Bündnis-Plena und Polittreffen. Auch der solidarische Widerspruch zu ihm war immer möglich, etwa wenn es um Fragen ging, wie breit, wie „bürgerlich“ oder radikal diese oder jene Aktion getragen werden sollte. Dabei ist hervorzuheben, dass es gerade Martin war, der immer wieder den Schulterschluss mit linksradikalen Strukturen vollzog und gegenüber Parteien und Verbänden klarmachte, dass dieses Spektrum in antifaschistischer Arbeit vertreten sein muss.
Martin ist am 2. April 2018 in München gestorben. Seine Initiative, seine politische Haltung und seine gewinnende Persönlichkeit fehlen.
Wenn ihr euch mehr für Martin Löwenbergs Leben interessiert, sei euch der Film „Es kann legitim sein, was nicht legal ist“ ans Herz gelegt.
von antifa nt