Polizei, Männlichkeit und rechter Terror.
Von der antifaschistischen Initiative das Schweigen durchbrechen
NSU, Hanau, Halle, München, Kassel: Rechter Terror steht in Deutschland auf der Tagesordnung. Hinzu kommen unzählige extrem rechte Chatgruppen und Zusammenschlüsse in Sicherheitsbehörden und Militär, die ihre Ideologie bisher noch nicht in die Tat umgesetzt haben. In der öffentlichen Debatte ist klar: Was all diese Gruppen verbindet, sind Rassismus und Antisemitismus. Der elementare Aspekt von Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus geht dabei oft unter, obwohl er ein wesentlicher Bestandteil der rechten Ideologie und somit des rechten Terrors ist.
Dass das Geschlechterverhältnis ein genuiner Teil extrem rechter Ideologien ist und in den letzten Jahren zusehends relevantes Motiv von rechten Terroranschlägen war, wird inzwischen immer stärker wahrgenommen. Dies ist aber vor allem dem Engagement einzelner Autor:innen und Journalist:innen zu verdanken, die das Thema präsent machen. Verwiesen sei hier etwa auf unsere Genossin Veronika Kracher, deren Buch „Incels“ einen Überblick über die Verstrickung von frauenfeindlichen Incels und rechtsradikaler Ideologie gibt und darstellt, wie diese zu misogyn-rassistischem Terror führt. In der letzten Ausgabe des NIKA Zines erschien ein Interview mit ihr, in dem sie wiederholt auf die Thematik einging. Auch wir veröffentlichten in dieser Ausgabe einen Text. Mit „Entnazifizierung Jetzt“ haben wir versucht, eine Herleitung des Polizeiproblems aufgrund von historisch-ideologischen Kontinuitäten zu formulieren. Wir halten es weiterhin für wichtig, extrem rechte Netzwerke in den Sicherheitsbehörden zu thematisieren und wollen im Folgenden die Debatte um den Aspekt der Männlichkeit – bzw. weiter gefasst Geschlechtlichkeit – im Kontext von extrem rechten Netzwerken innerhalb der Sicherheitsbehörden erweitern.*
Natürlich(keit) ein Problem?
Natürlichkeit nimmt in der extremen Rechten eine zentrale ideologische Dimension ein. Diese kann man als entscheidende Ordnungsfunktion wahrnehmen. Soziale Phänomene werden zur Natur des Menschen erklärt. So werden gesellschaftliche Hierarchien, Sphären und Orte, in denen sich Menschen bewegen, naturalisiert und legitimiert. Wendet die extreme Rechte diese Natürlichkeit rassistisch um, leiten sich daraus Ideologien wie Ethnopluralismus, Lebensraumprinzip oder Volksgemeinschaft ab. Präsente Bilder von Männlichkeit in der extremen Rechten sind hierbei unter anderem Bauern, Arbeiter und vor allem Soldaten. Durch die starren Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit festigt die extreme Rechte ihre geschlechtliche Wendung.
Gerade die Vorstellung des Soldatischen definiert, wie Männlichkeit konkret gelebt wird: Einordnung in Befehlsstrukturen und Hierarchien, Gehorsam nach oben, eine damit einhergehende Verachtung nach unten und eine Glorifizierung des Kampfes. Weiblichkeit bildet dabei das negativ definierte Andere. Im Allgemeinen lässt es sich so fassen, dass in der politischen Rechten patriarchale Geschlechterbilder in radikalster Form reproduziert werden. Während alle als produktiv, kämpferisch und öffentlich betrachteten Felder als männliche Domänen verstanden werden, wird Weiblichkeit auf das Private und die Sphäre der Reproduktion beschränkt. Dabei wird deutlich, dass Geschlechtlichkeit in dieser Vorstellung nur binär gedacht werden kann. Formen dazwischen oder darüber hinaus darf es nicht geben, da diese gegen die vorgestellte natürliche Ordnung der Dinge verstoßen würden. Durch die Naturalisierung patriarchaler Geschlechterverhältnisse werden diese nicht nur zementiert, sondern auch Gewalt gegen jedes abweichende Verhalten wird zur Verteidigung der natürlichen Ordnung legitimiert. Dies gilt nicht ausschließlich für Menschen, die sich nicht in ein starres binäres Schema einordnen lassen, sondern für jede:n: Schwule Männer und emanzipierte Frauen gehören ebenso zu den Zielen rechten Terrors.
Rechter Terror und Geschlecht
Insbesondere Frauen sind in den letzten Jahren zum Ziel rechten Terrors geworden. So macht der Attentäter von Utøya, Anders Breivik, in seinem Manifest neben dem Sozialismus auch den Feminismus für den Verfall der westlichen Gesellschaften verantwortlich. Ähnliche Narrative finden sich auch bei anderen Anschlägen oder Anschlagsplänen. Der Attentäter von Halle, Stephan B. rechnete sich der Incelszene zu, ebenso Fabian D. aus Cham, der vor kurzem im sogenannten Feuerkriegsdivisions-Prozess verurteilt wurde, bevor er Menschen schaden konnte. Bei Fabian D. verharmlosten die Medien seinen Frauenhass. So wurde etwa geschrieben, er sei frustriert, weil er keine Freundin finde und dies sei ein wesentliches Motiv für seinen geplanten Anschlag. Rechter Terror ist aktuell vor allem auch rechte Biopolitik, die der Erzählung des großen Austausches anhängt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Feminismus und Emanzipation die Männer in westlichen Gesellschaften verweichlicht hätten und in Folge dessen die Geburtenrate zurückgehe. Gleichzeitig, so die Vorstellung, kämen durch Migration und Flucht Millionen Männer aus arabischen und afrikanischen Ländern nach Europa. So fände, von Jüdinnen und Juden gesteuert, über mehrere Generationen ein Austausch der deutschen Bevölkerung statt. In dieser Vorstellung vermischen sich Rassismus, Antisemitismus und Sexismus zum entmenschlichenden Bild des sexuell omnipotenten und unzivilisierten Migranten. So konstruiert die extreme Rechte einen direkten Zusammenhang von feministischen Kämpfen zur Auslöschung des „deutschen Volkes“. Weil nun aber die homogene Volksgemeinschaft eine für Rechte höchst erstrebenswerte Kategorie ist, die auf jeden Fall verteidigt werden muss, greifen die wichtigsten ideologischen Bausteine der Rechten bei der Abwendung der Katastrophe des großen Austausches ineinander: Antifeminismus, Antisemitismus, Antikommunismus und Rassismus. Und Neonazis greifen dafür bekanntlich auch zur Waffe. Die Opfer rechten Terrors und rechten Hasses werden gewissenhaft nach diesen Feindbildern ausgewählt. Besonders deutlich wurde diese Opferauswahl beim sogenannten NSU 2.0. Verschiedene Personen erhielten Schreiben, in denen sie bedroht wurden. Unterzeichnet waren diese Schreiben immer mit „NSU 2.0“. Die Betroffenen waren fast ausnahmslos emanzipierte, (post-)migrantische Frauen. Besonders beachtenswert an dieser rechten Serie war, wie die persönlichen Daten der Opfer ermittelt wurden: Sie wurden von Polizeicomputern abgefragt. Der NSU 2.0 ist jedoch nur eine Gruppe die ganz oder zum Teil aus Mitarbeiter:innen der Sicherheitsbehörden besteht. Am Beispiel des Kommando Spezialkräfte zeigt sich deutlich, dass ganze Einheiten extrem rechte Positionen vertreten, Waffen horten und sich darauf vorbereiten, im Ernstfall ihre politischen Feind:innen zu ermorden. Dass sich gerade in den Sicherheitsbehörden so viele extrem Rechte tummeln und dass es fast immer Männer sind, ist dabei kein Zufall.
Polizei – Eine Männerphantasie
Betrachtet man das in der extremen Rechten vorherrschende Bild von Männlichkeit, wird schnell deutlich, warum diese sich gerade von Sicherheitsbehörden und Militär besonders angezogen fühlen. Für ein erfolgreiches Durchsetzen auf dem Arbeitsmarkt werden sogenannte „Soft Skills“ immer wichtiger und statt autoritärer Führungsstile werden flache Hierarchien und Diversity gepredigt. Das ändert zwar weder etwas an der grundsätzlichen Funktionsweise des kapitalistischen Verwertungsprozesses, noch an der strukturellen Dominanz von Männern, lässt sich aber auch nicht mit der Vorstellung von Männlichkeit in der extremen Rechten in Einklang bringen. Im Militär und zum Teil auch in Polizeibehörden sieht das jedoch anders aus: Hier lässt sich – zuallererst – das Bedürfnis nach Ausübung von Gewalt weiter ausleben.
Um zu verstehen, warum dieses Bedürfnis in der extremen Rechten so zentral ist, lohnt ein Ausflug in die Gesellschaftstheorie. Durch die Moderne hat sich die persönliche Herrschaft des Adels über seine Untertanen zur abstrakten, unpersönlichen Herrschaft des Kapitalismus gewandelt. Im Angesicht der komplexen Prozesse, über welche diese Herrschaft vermittelt wird, kommt die_der Einzelne sich klein und machtlos vor. Durch feministische und antirassistische Bewegungen ebenso wie gesellschaftliche Liberalisierung wird zudem die vorherrschende Stellung weißer Männer herausgefordert. Die daraus resultierende Ohnmacht und Unsicherheit wollen rechte Männer durch die Ausübung von Gewalt, dem Erniedrigen Schwächerer und dem Eingliedern in starre Hierarchien entfliehen. Im Militär kann sich der rechte Mann an frühere, glorreiche Zeiten zurück erinnern und sich seiner eigenen Stärke versichern. Dass diese theoretischen Überlegungen auch ihre Entsprechung in der Wirklichkeit haben, zeigen beispielsweise Daten der Wahlen in Wien. Dort sind es eben jene Bezirke, in denen zum Großteil Polizist:innen leben, welche die Hochburgen der extrem rechten FPÖ bilden.1 Hinzu kommt, dass rechte Männer im Polizeidienst ihren Rassismus ausleben können, indem sie meist ungestraft Migrant:innen und BIPoC drangsalieren und erniedrigen und sich dabei noch als edle Beschützer von ‚deutschen‘ Frauen aufspielen können. Damit wird deutlich, warum Polizei und Militär für autoritäre Männer attraktiv sind. Polizei und Militär sind vor allem eins: Eine (rechte) Männerphantasie.
Noch nicht erklärt ist aber, warum sich gerade extrem Rechte in den Behörden so vehement auf einen bevorstehenden Umsturz vorbereiten, Waffen horten, Menschen rassistisch bedrohen und sogar ermorden. Zum einen spielen hier mit Sicherheit die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine Rolle – wo lässt es sich leichter heimlich Munition entwenden als beim KSK? Und wo darf man sonst, wenn man doch erwischt wird, die Munition im Austausch gegen Amnestie einfach zurückbringen?
Wir sind jedoch überzeugt, dass das nicht der alleinige Grund für die Radikalisierung und Bewaffnung ist. Militär und Polizei, und in ihnen vor allem sogenannte Eliteeinheiten, wirken nicht nur auf autoritäre Persönlichkeiten anziehend, sie erziehen Menschen strukturell zu solchen. Durch starre Befehlsketten, hartes Training und häufig auch Demütigungen wird bereits Rekrut:innen eingebläut, Schwäche und Unsicherheit zu verachten. „Wer hart gegen sich ist, der erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regungen er nicht zeigen durfte.“ Mit diesem Satz brachte bereits Adorno die grundlegende Funktionsweise autoritärer Erziehung auf den Punkt.
Ein Offizier des wegen rechtsextremer Umtriebe vorerst aufgelösten KSK schilderte die dort herrschenden Zustände im Sommer letzten Jahres eindrücklich2: Beim dort praktizierten Training werde Hörigkeit anerzogen, die von Kommandosoldat:innen in Ausbildung bereits mit derjenigen der Waffen-SS verglichen wurde. Weiter hieß es in dem Brief des Offiziers, extrem rechtes Gedankengut würde toleriert oder akzeptiert, wer sich dagegen wehrt, würde mittels Disziplinarstrafen gefügig gemacht. Zu diesen offen repressiven Maßnahmen kommt ein Korpsgeist, der es unmöglich macht, abweichender Meinung zu sein, ohne als Verräter gebrandmarkt zu werden. Dieser Korpsgeist ist ein weiteres zentrales Merkmal autoritärer männerbündischer Strukturen, von Burschenschaften über Militär bis hin zu neonazistischen Gruppen. In der Kameradschaft suchen extrem rechte Männer die Geborgenheit und emotionale Nähe, der sie sich sonst immer verwehren. Einher geht diese Vorstellung von Kameradschaft stets mit der Abwertung von Weiblichkeit.
Es zeigt sich also, der in Sicherheitsbehörden grassierende Rechtsextremismus hat viele Dimensionen, eine der wichtigsten ist aber die von Geschlecht und Männlichkeit. Autoritäre Männer werden von den autoritären Strukturen angezogen und gleichzeitig produzieren und verstärken diese Strukturen autoritäre und extrem rechte Ideologie. Ein allererster und minimaler Schritt wäre es, unabhängige und anonyme Beschwerdestellen, sowohl für Mitglieder der Behörden als auch für Betroffene von Polizeigewalt zu schaffen. Solange diese Behörden jedoch nicht grundsätzlich umstrukturiert bzw. abgeschafft werden, wird sich daran auch nichts ändern. In letzter Konsequenz muss es trotzdem heißen:
Fight Patriarchy! Abolish the police!
* Wir sprechen im Folgenden häufig binär von Männlichkeit und Weiblichkeit. Damit wollen wir nicht-binäre Formen von Geschlechtlichkeit nicht unsichtbar machen, sondern die Dualität von Geschlecht in extrem rechtem Denken verdeutlichen. Diese Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit sind dabei Idealtypen, denen einzelne Subjekte nie gänzlich entsprechen können. Auch Frauen und nichtbinäre Personen können die hier als ‚männlich‘ geschilderten Charakterzüge aufweisen oder umgekehrt. Für eine Analyse, die die gesellschaftliche Dimension von Geschlecht und die Erziehung von Subjekten als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ mit einbezieht, halten wir es trotzdem für wichtig, mit diesen Kategorien zu arbeiten.
Quellen:
1 https://www.derstandard.at/story/2000120888358/wien-wahl-rote-gemeindebauten-und-ein-kleines-blaues-wunder
2 https://augengeradeaus.net/2020/06/neue-rechtsextremis-vorwuerfe-gegen-das-ksk-aus-den-eigenen-reihen/comment-page-1/