Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt.
Keine Einzelfälle: Rassistische Polizeigewalt und Racial Profiling sind Alltag in Deutschland. Racial Profiling bezeichnet eine rassistische polizeiliche Praxis, bei der Menschen aufgrund bestimmter äußerer Merkmale ins Visier geraten, ohne dass es einen besonderen Verdachtsmoment gibt. Oft bleibt es dabei nicht bei der Kontrolle… Wir haben mit Initiativen gesprochen, die Betroffene von rassistischer Polizeigewalt unterstützen und eine politische Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
Copwatch Frankfurt
Copwatch FFM ist eine Informations- und Dokumentationstelle für Betroffene rassistischer Polizeigewalt in Frankfurt. Copwatch will konkrete Unterstützung und dauerhafte, selbstermächtigende Infrastrukturen für Betroffene schaffen.
Welche Rolle spielt rassistische Polizeigewalt in der alltäglichen Polizeipraxis?
Jede Abschiebung ist rassistische Polizeigewalt. 2020 waren es 10.800, d.h. fast 30 pro Tag. Eine mit Racial Profiling einhergehende Täter-Opfer-Umkehr durch die Polizei ist für rassifizierte Personen alltägliche Realität. Rufen rassifizierte Personen die Polizei, weil sie Schutz brauchen, so wird ihnen oft nicht nur der Schutz verwehrt, sondern sie werden selbst verdächtigt und/oder angegriffen.
Der Auftrag der Bundespolizei, die „deutschen“ Grenzen zu schützen, trägt eine rassistische Auswahl von zu verdächtigenden Personen in sich. Jeder Verkehrsknotenpunkt birgt daher die Gefahr, kontrolliert, schikaniert, gedemütigt, ausgegrenzt, beleidigt, angegriffen zu werden. Rassifizierte Personen gelten immer als verdächtiger und gewaltbereiter als die Konstruktion des weißen deutschen Otto-Normal-Bürgers. Gewalt gegen rassifizierte Personen ist daher leichter zu rechtfertigen als gegen Otto. Junge Schwarze Männer* können nicht auf einem guten Fahrrad durch die Stadt fahren, ohne von der Polizei mindestens kontrolliert zu werden. Nicht selten führt es zu einer erweiterten Kontrolle mit vorübergehende Ingewahrsamnahme und dem Zwang sich vor Polizist*innen auszuziehen und nackt untersuchen zu lassen. Dies sind nur einige Schlaglichter. Kurz gesagt ist die Polizei der bewaffnete Arm einer Gesellschaft, die von Rassismus durchzogen ist.
Was bewirken Erfahrungen mit Racial Profiling und rassistische Polizeigewalt bei Betroffenen?
Ständiges verdächtigt und ausgegrenzt werden, öffentliche Demütigung, das Verwehren von Schutz sowie Angriffe durch die Institution, die perfiderweise als Sicherheitsbehörde bezeichnet wird, beeinträchtigen die körperliche und mentale Gesundheit. Ständig den selben ungerechtfertigten Situationen ausgesetzt zu sein, während alle anderen ganz selbstverständlich an eine*m vorbeigehen, nichts tun oder gaffen, psychischer Stress, das Vermeiden von Situationen und Orten des öffentlichen Lebens, Ärger im sozialen Umfeld, das eine*m vorwirft schon wieder mit der Polizei zu tun zu haben: all das geht zu Lasten der mentalen Gesundheit und hält Betroffene davon ab, sich frei entwickeln zu können. Oft trifft es junge Menschen, deren Leben durch diese Ausgrenzungserfahrungen geprägt wird.
KOP Berlin
Die „Kampagne für Opfer von Polizeigewalt“ befasst sich unter anderem mit der Polizeipraxis des Racial Profiling, der Dokumentation und Aufklärung rassistischer Polizeiangriffe und -übergriffe sowie der Begleitung der Opfer und die Vermittlung zu Beratungsstellen. Die Kampagne gibt es in Berlin, Kiel und Bremen.
Was bedeutet Racial Profiling für den Alltag der von Rassimus Betroffenen?
Racial Profiling ist eine der schlimmsten Formen von Rassismus. Menschen, die von Rassismus betroffen sind, trauen sich zum Teil nicht mehr an einschlägige Orte, wie hier in der Berlin den Görlitzer Park. Sie haben mehrfach erlebt, dass sie die einzigen sind, die kontrolliert werden, und haben Angst, bloßgestellt zu werden. Die sogenannten „gefährlichen/ kriminalitätsbelasteten Orte“, an denen die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen kann, bedeuten für den Alltag von Schwarzen Menschen und POC eine Gefahr für ihre psychische und oft auch körperliche Gesundheit. Das gilt genauso für Razzien, die bei Betreiber:innen von Shishabars und Gewerben von POC durchgeführt werden. Auch hier wird ein Schlaglicht auf Menschen geworfen, das sie kriminell erscheinen lässt und unter Generalverdacht stellt. Diese strukturelle Gewalt wird von der Polizei, der Politik und den Medien in die Gesellschaft getragen und zementiert eine rassistische Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Wie sehen eure Erfahrungen mit rassistischer Polizeigewalt aus?
Bei Racial Profiling geben die meisten Menschen den Opfern die Schuld, und nur wenige greifen ein. Deswegen ist es so wichtig, dass sie einen Ort haben, wo sie erzählen können, ohne Angst zu haben, dass man sie nicht versteht oder ihnen nicht glaubt. Dafür ist unsere Beratungsstelle da. Rassistische Polizeigewalt beinhaltet auch diese Form der Gewalt, Schwarze und POC in der Öffentlichkeit als kriminell zu verunglimpfen, und ihnen das Sicherheitsgefühl zu rauben. Wir haben außerdem viele Fälle, die belegen, dass massive körperliche Gewalt von Polizist:innen angewendet wurde, die im Nachhinein dann noch Anzeige gegen die Opfer gestellt haben, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Unsere Chronik, die man auf www.kop-berlin.de einsehen kann, beinhaltet viele Fälle von solcher rassistischen Polizeigewalt. Sie wird bald neu aufgelegt und gedruckt, um die Fälle 2014-2020 abzubilden. Unser Rechtshilfefonds ist dafür da, Menschen, die Opfer von rassistischer Polizeigewalt wurden, vor Gericht finanziell zu unterstützen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die Opfer rassistischer Polizeigewalt wurden, auch noch dafür bezahlen müssen, dieses Unrecht zu bekämpfen.