Antifaschistische Kampagne zur Europawahl 2019
Aufruf von NIKA-NRW für eine linksradikale Intervention in den EU-Wahlkampf und für eine Beteiligung der antifaschistischen Linken an den aktuellen Sozialen Bewegungen
Ende Mai finden die EU-Wahlen statt. Gewählt werden soll zwischen neoliberaler Verteidigung des Status Quo und einer Verschärfung der autoritären Zuspitzungen. Die einen inszenieren Europa als Paradies der Menschenrechte für Wenige, die anderen haben ihren Fokus auf dem Ausbau der Mauern und Zäune an den Grenzen Europas zum Leiden von Vielen.
Festung Europa
Der italienische Innenminister Salvini hat seit seinem Amtsantritt gut daran gearbeitet, Seenotrettung zu kriminalisieren und die libysche Küstenwache zu stärken, um so fliehende Menschen in Lager zu stecken, in denen ihnen Folter, Vergewaltigung und Mord drohen. Während Italien die Seenotrettung weiter kriminalisiert und immer weniger Menschen es über das Mittelmeer nach Europa schaffen, schiebt Deutschland weiter fleißig mit dem Flugzeug nach Afghanistan und andere Kriegsgebiete ab. Möglich gemacht wird diese menschenverachtende Abschottungspolitik durch ein Ineinandergreifen vom völkischen Mob auf der Straße, rechten Parteien in den Parlamenten und einem scheinbar ohnmächtigen Bürgertum, das die Monster des Faschismus mit hervorbringt und sich dann zu fein ist, sie wieder auf ihre Plätze zu verweisen. Lieber beschließt es Verschärfung um Verschärfung im Asylrecht bei gleichzeitigem Ausbau der Abschottungsmaschinerie. Der Rechtsruck wird sich auch zur Europawahl erneut bemerkbar machen. Dabei sind sich die rechten Akteur*innen nicht immer einig, finden sich aber als „natürliche Verbündete“ (Jörg Meuthen) in ganz Europa. Lega Nord, AfD, FPÖ und Jobbik-Partei sind sich zumindest in einem einig: ein „Europa der Vaterländer“ soll gegen eine „EudSSR“ in Stellung gebracht werden.
Die autoritäre Durchsetzung des Wettbewerbs
Die Verteidiger*innen europäischer, humanistischer Werte stellen leider nicht den Gegenpol zum Rückzug ins nationale Kollektiv dar. Der real existierende Neoliberalismus befindet sich spätestens seit der Banken- und Finanzkrise im Wanken. Spardiktate für den Süden Europas hier und später ein Brexit dort resultieren aus der Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Akkumulationsregimes. Ergebnis ist eine Abschottung nach außen und ein Schüren der Angst im Innern. Rechte Parteien und Bewegungen gewinnen nicht zu guter Letzt an Zulauf, weil sie es schaffen, soziale Konflikte zu kulturalisieren und rassifizieren und so ein Klima der Angst zu schüren, das sie für sich instrumentalisieren. Der daraus resultierende Rassismus ist zum dominierenden Modus der Wahrnehmung der sozialen Welt, zur spontanen Wahrnehmung der Welt als Gegensatz zwischen In- und Ausländer*innen geworden. Soziale Konflikte werden rassistisch gewendet durch ein System, das Menschen nach ihrer Verwertbarkeit selektiert. Die daraus resultierenden Ressentiments und Affekte werden durch die Rechten, aber schon lange nicht mehr nur dort, mit einem stabilen diskursiven Rahmen und gesellschaftlicher Legitimität versehen. Dieses Phänomen beschreiben wir als autoritäre Formierung von Staat und Gesellschaft.
Beyond Europe
Das Versprechen gleicher Rechte und Freiheiten für alle in der EU kann nicht eingelöst werden. Abschiebeknäste und tägliche Gängelei durch rasstische Bullen und Sozialämter stellen die Realität in der Gemeinschaft der uneingelösten Freiheitsversprechen des Friedensnobelpreisträgers 2012 dar. In Frankreich, Vorzeige-EU-Mitglied und Land der Aufklärung, trägt sich das Ergebnis der eurpäischen Politik aktuell auf die Straßen, wo seit November die Gilet Jaunes gegen die Alternativlosigkeit der neoliberalen Technokratie revoltieren. Dem Bürgerdialog von EU-Liebhaber Macron wurde zuletzt eine klare Absage erteilt. Die liberalen Freiheitsversprechen des europäischen Projekts werden offenbar nicht eingelöst. Stattdessen antwortet die Regierung Macrons mit Tränengas und Schockgranaten.
Wenn die Christdemokraten nun Manfred Weber ins Rennen schicken und die SPD sich für ein starkes Europa mit mehr Gerechtigkeit für Wenige einsetzt, zeigt das nicht nur, dass die bayerischen Wahlkampfversprechen keinen Widerspruch zur Nation Europa darstellen und bei den anderen die selbsterfüllende Prophezeiung des Scheiterns eintreten wird, sondern auch den Mangel an Alternativen gegenüber dem Herrschaftszusammenhang EU. Wenn das letzte Jahrzehnt der massiven Kürzungspolitik und Technokratie eines gezeigt hat, dann dass die Antwort auf die bestehende Misere abseits des deutsch-europäischen Hegemonierprojekts zu suchen ist. Es gibt durchaus Alternativen zur schlechten Realität des europäischen Kapitalismus. Die aktuellen sozialen Bewegungen, wie Fridays for Future, der internationale Frauen*streik und die Kämpfe um Verteilungs- und Wohnraumfragen im Rahmen des europaweiten Aktionstags gegen #Mietenwahnsinn liefern einen guten Ausgangspunkt, um Antworten auf die Krise des Klimas, der Reproduktion und der Ökonomie zu finden.
Im Rahmen von NIKA rufen wir dazu auf, den EU-Wahlkampf im Mai und die Wahlen am 26. Mai von AfD, FPÖ und anderen Rechten zu stören. Zuletzt machten mitunter Schüler*innen in Hamburg gegen die AfD mobil und auch in anderen Städten lohnt es sich wieder, sich einzumischen und den Rechten nicht die Bühne zu überlassen. Die aktuellen sozialen Bewegungen liefern ebenfalls einen guten Anknüpfungspunkt für eine linke Intervention im Rechtsruck. Wenn die Großdemos für ein liberales Europa stattfinden, wollen wir für eine Alternative jenseits staatlicher Grenzen, nationalistischer Spaltungen und den Verwertungszwängen des Kapitals eintreten. Erteilen wir den unterschiedlichen Varianten nationaler Interessenspolitik und rassistischer Hetze eine nachhaltige Absage. Zeigen wir, dass eine andere, eine bessere Welt möglich ist!