An Lichtenhagen gedenken, heißt auch die Festung Europa einzureißen
Dieser Tage jährt sich das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen zum dreißigsten Mal. Im August 1992 belagert ein enthemmter, rassistischer und antiziganistischer Mob an mehreren aufeinanderfolgendenen Abenden die “Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber” (ZASt) und ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter:innen. West- und ostdeutsche Neonazis sowie „besorgte Anwohner:innen“ bombardieren das Wohnheim am dritten Abend mit Molotow-Cocktails, die Bewohner:innen können in letzter Sekunde den Flammen entkommen. Die Polizei schaut nicht einmal mehr zu, sondern lässt den Mob durch ihre vollkommene Abwesenheit gewähren.
Dass die Polizei gegen die faschistische Meute nicht eingreift, ist allerdings kein unerklärliches Mysterium oder eine historischer Einzelfall, der heute unvorstellbar wäre. Von einem faschistischen Umsturz träumende Menschen fühlen sich im Sicherheitsapparat pudelwohl. So auch die Polizisten und Soldaten, die, nur wenige Kilometer von Rostock entfernt, als „Nordkreuz“-Gruppe zehntausende Schuss Behördenmunition, Kriegswaffen und Leichensäcke horteten. Was diese für ihre politischen Gegner:innen planten, hatte der NSU mit der Ermordung Mehmet Turguts in Rostock 2004 schon umgesetzt. Statt die Taten aufzuklären, wurden die Angehörigen vom Staat rassistisch drangsaliert und bespitzelt. In ihren Ohren muss jede Rede vom „Freund und Helfer“ wie eine zynische Grausamkeit klingen.
Derweil endet die rassistische Gewalt staatlicherseits nicht in den Reihen der Polizei. Statt 1992 dem rasenden Mob entgegenzutreten, empfingen CDU und SPD ihn mit offenen Armen und schafften wenige Monate später das Grundrecht auf Asyl kurzerhand ab. Die Nazis von Rostock-Lichtenhagen waren zugleich Vorboten und Handlanger einer Politik, die damals wie heute auf „Abschreckung“ flüchtender Menschen setzt. Heute wurden diese Aufgaben an die Grenzschutzpolizei Frontex oder die Folterknechte der lybischen Küstenwache outgesourct. Das Mantra „Keine zusätzlichen Fluchtanreize schaffen“ ist zur Staatsräson geworden, hinter der sich die mörderische Grenzpolitik der Festung Europa verbirgt. Wenn Olaf Scholz sich nun zum Jahrestag „gegen Hetze und Rassismus“ positioniert, verschweigt er, dass seine Regierung die Politik der Menge vor dem Sonnenblumenhaus auch heute noch umsetzt. Der ideologische Kitt des „Aufarbeitungsweltmeisters“ Deutschland macht es möglich, dass aus Rostock-Lichtenhagen ein Jubiläum unter vielen wird, das pflichtschuldig aber ohne Konsequenzen abgehandelt wird.
Wir reihen uns nicht ein in das offizielle Gedenken der politischen Täter:innen von damals. Wir stellen uns in unserem Gedenken nicht an die Seite von Parteien und Politiker:innen, die das Sterben im Mittelmeer, Abschiebungen, rassistischen Bullenterror und die Salonfähigmachung rechter Narrative zu verantworten haben. Stattdessen wollen wir eine Gesellschaft in der die Pogrome von morgen unmöglich werdeb.
An Lichtenhagen gedenken, heißt auch die Festung Europa einzureißen. Wir vergessen nicht! Kommt am Samstag zur bundesweiten Demo in Gedenken an das Pogrom von Rostock Lichtenhagen. Beteiligt euch am Antifa-Block!
Weiterführende Infos:
https://antifa-rostock-lichtenhagen.org