Aufruf der NIKA-Kampagne zum bundesweiten Aktionswochenende gegen die Akteure der Abschottung vom 24.-26. Juni
It happens now…
Das Sterben geht weiter. Hunderte Menschen ertrinken vor der Küste Italiens, slowenische Polizisten schießen Geflüchteten an der Grenze in den Rücken, türkische Grenzsoldaten schießen auf Kinder, weil die „ohne Erlaubnis“ die Grenze überqueren wollen – das mörderische Grenzregime Europas, es läuft wieder (weiter?). Die üblen Schlagzeilen der letzten Wochen machen dabei zweierlei deutlich: Zum einen, wie erfolgreich die Fans der Festung derzeit sind. Angeschoben durch den völkischen Nationalismus von AfD und Co verschiebt sich der Diskurs nach rechts. Erste Früchte dieses Unterfangens waren die zahlreichen Asylrechtsverschärfungen des letzten Jahres.
Zum anderen zeigen die letzten Wochen, wie wirksam die Bemühungen der deutschen Bundesregierung waren, die Grenzen und damit die hässlichen Bilder wieder an den Rand der EU zu verlagern. Einerseits stimmen große Teile der deutschen Gesellschaft grundsätzlich dem Prinzip des Nützlichkeitsrassismus, also der Idee, dass Menschen, die dem Standort nicht nützen, von hier ferngehalten werden müssen, zu. Andererseits ist ihnen so unmittelbare und blutige Gewalt gegenüber Flüchtenden unangenehm. Im Gegensatz zu ihren völkischen Kolleg*innen sehen die Mehrheit der deutschen Standortnationalist*innen doch tote Ausländer*innen nicht gern. Bemüht, den Schein der Menschlichkeit zu wahren und dennoch das aktuelle Geschäftsmodell Deutschlands zu retten, müssen die Kosten des Erfolgs mal wieder ausgelagert werden. Das heißt an dieser Stelle: Abschottung vorverlagern.
Dafür ist als Blaupause selbst ein Deal mit einem Diktator wie Erdogan recht. Mag sein, dass er ein cholerischer Potentat ohne Humor ist, der zu viel deutsches Fernsehen guckt. Zähneknirschend wird inzwischen auch festgestellt, dass er Krieg gegen die kurdische Bewegung führt, auf Menschenrechte pfeift und nicht unbedingt der Befehlsempfänger ist, den sich die Deutschen wünschen. Aber ohne fiese Türsteher kann man ja heutzutage nirgendwo mehr seine Privilegien ungestört genießen. Das Ergebnis: Die Zahl der Menschen, die es zu uns schaffen, geht zurück – und als sei damit nur irgendetwas an der ungerechten Einrichtung der Welt geändert worden, wird das als Entwarnung und Erfolg zugleich vermeldet.
It happens here…
Jetzt noch einige Wochen „ein paar harte Bilder“ aushalten, dann könnte die Flüchtlingskrise ausgestanden sein, freut sich der Bundeskanzlerin ihr Innenminister. Die Toten werden ja nicht an unsere Strände gespült und mit denen, die es bisher ins europäische Zentrum geschafft haben, werden wir mit ein bisschen mehr Investitionen hier, und einigen Gesetzesverschärfungen dort, auch noch fertig. Aber die Menschen werden weiterkommen. Und sie werden weiter sterben, wenn wir den Verwaltern des Grenzregimes nicht in die Arme fallen. Das markiert heute eine, vielleicht die entscheidende Aufgabe, für eine radikale Linke im Zentrum des europäischen Kapitalismus. Denn eine Festung kann nur so lange bestehen, wie es keinen Aufstand im Inneren gibt. Das gilt gerade auch für die Festung Europa. Dafür spielt Deutschland und seine Regierung die Schlüsselrolle. Hier organisieren die herrschenden Parteien von CDU über die SPD bis zu den Grünen Verschärfung um Verschärfung; gerade jetzt werden mit Tunesien, Algerien und Marokko drei Folterstaaten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Hier wird von Firmen wie Siemens das Material für die Abschottung (Zäune, Bewegungsmelder) gewinnbringend verkauft. Hier werden von der Bundespolizei und anderen Institutionen die europäischen Wärter der Festung geschult. Und hier wird vorexerziert, wie man mit der selektiven Abschaffung von Sozialleistungen unsichtbare Grenzen im Innern errichtet. Hier ist die trügerische Friedhofsruhe der Festung angreifbar.
What are we waiting for? Attack the fortress from within!
Wir sollten das als Chance begreifen. Denn es war auch die kontinuierliche Arbeit von antirassistischen Initiativen und eine lange Mobilisierung der Geflüchteten selbst, die den nationalen Konsens der Abschottung im letzten Sommer selbst in der Festung brüchig werden ließ. Deswegen rufen wir dazu auf, das Wochenende um den 24.-26. Juni zu nutzen, um die Akteure der Abschottung mit den Folgen ihres menschenverachtenden Tuns zu konfrontieren, die Profiteure des Grenzregimes ans Licht zu zerren und den Normalbetrieb im Herzen des Grenzregimes zu unterbrechen. Wir müssen dafür das Rad nicht neu erfinden, diverse Aktionsmöglichkeiten sind in den letzten Monaten schon probiert worden.
So oder so gilt es, dem von der AfD am rechten Rand und Schwarz-Rot-Grün in der neoliberalen Mitte gemeinsam organisierten Rechtsruck den Widerstand des weiterhin großen, solidarischen Teils der Gesellschaft entgegen zu setzen – indem wir die Frage der Abschottung endlich zu einem wahrnehmbaren politischen Konflikt machen. Das ist nicht nur eine moralische Frage. Denn eine menschenwürdige Perspektive für alle ist heute nicht mehr im nationalen Rahmen zu haben. Und auch gegen rechts ist eine linke Offensive immer noch das beste Mittel. Tun wir uns also selbst einen Gefallen und brechen den nationalen Konsens.
Beteiligt Euch mit Aktionen gegen die Akteure der Abschottung an den europaweiten Aktionstagen vom 24.6.-26.6.! Die Gelegenheiten dafür sind zahlreich, Ideen gibt es viele und die Nächte sind lang!
- 24.-26. Juni
Die Festung Europa angreifen!
Dezentrale Aktionstage gegen die Akteure der Abschottung - 15.-25. Juli
Europaweites NoBorder Camp in Thessaloniki