Am Wochenende (23./24. April) hat die Berliner „Alternative für Deutschland“ (AfD) ihre Landesliste zur Abgeordnetenhauswahl aufgestellt. Rund 200 der 1000 Berliner AfD-Mitglieder berieten Samstag und Sonntag wieder im Hotel Maritim (Stauffenbergstraße, Tiergarten) hinter Hamburger Gittern beim nunmehr 6. Landesparteitag über 60 Kandidaturen. 37 von ihnen wurden letztlich nominiert, um für die Partei auf Landesebene anzutreten. Trotz der vorgespielten innerparteilichen Demokratie entspricht die Liste in etwa der „Konsensliste“ die schon in unterschiedlichen Fassungen seit einem Monat in der Partei kursierte. Die neun aktivsten AfD-Bezirksverbände (ohne Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Spandau) hatten sich mit der Jungen Alternativen (JA) auf gemeinsame KandidatInnen geeinigt. Ein kurzer Blick auf die vorderen 20 Plätze, da die hinteren wohl kaum ins Abgeordnetenhaus einziehen werden.
Statistisch fällt gleich ins Auge, dass die Hälfte der potentiellen AfD-Abgeordneten bereits Erfahrungen in den sog. „Altparteien“ (CDU/FDP) hat. Frustrierte Parteifunktionäre – nicht gerade das was die AfD-Basis angeblich gern hätte.
Interessant ist auch der Klassenhintergrund: Der überwiegende Teil der Herren (nur zwei Frauen haben es unter die ersten 20 geschafft) sind in der Immobilienbranche tätig, gefolgt von Unternehmensberatern und ehemaligen Berufssoldaten.
Mindestens sechs der Nominierten haben Bezüge zu anderen rechten oder extrem rechten Organisationen wie Burschenschaften oder sind Autoren für Publikationen der sog. „Neuen Rechten“. Drei sind auch im Vorstand der JA, die auch in Berlin das Programm der „Identitären“ vertritt.
Ein Viertel kommt aus Steglitz-Zehlendorf (guter Beitrag zur Steglitzer Dominanz im RBB) – offenbar ein Tribut an den Mitgliederstärksten Bezirksverband. Die Neuköllner sind offensichtlich wegen Personalproblemen nicht vertreten. Und die Spandauer fehlen aufgrund politischer Dissonanzen mit dem neuen Landesvorstand. Alle anderen Bezirke sind wenigstens mit einer Person dabei.
Unter den 20 findet sich übrigens niemand, der nicht in einem Bezirksvorstand oder im Landesvorstand ist. Die ersten zehn Plätze sind sogar fast nur Personen vorbehalten, die im Berliner Landesvorstand sind bzw. waren.
Inhaltlich wurde von den KandidatInnen auf dem Parteitag nichts Neues verkündet. Pazderski, der Spitzenkandidat macht es kurz und hirnlos: „Wir sorgen dafür, dass Deutschland nicht verschwindet.“ Die Themen des Wahlkampfs sind offenbar gesetzt: „Asylchaos, Kriminalität, Verwahrlosung, heruntergekommene Schulen, falsche Toleranz gegenüber Islamisten und Linksextremen“. Querschnittsthemen sind „Direkte Demokratie“, „Islamkritik“, „deutsche Identität“ und „Zukunft für die Jugend sichern“. Da das Programm zwar eifrig auf den vorangegangenen Parteitagen diskutiert wurde, aber immer noch nicht vorliegt, wurde wenigstens ein peppiges Motto beschlossen: „Unbequem. Echt. Mutig.“
Fazit: Trotz des langatmigen Wahlverfahrens ist das Ergebnis für viele NewcomerInnen ernüchternd, was hoffentlich für Frustration bei der Wahlkampfbasis sorgt. Eine Änderung zur vorher ausgeklüngelten Konsensliste ist hingegen erwähnenswert: Der 26 jährige Jurastudent (FU-Berlin), Jörg Sobolewski, ist aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Burschenschaft Gothia bzw. aufgrund seines Postens als Sprecher der Deutschen Burschenschaft von den vorderen Rängen an den chancenlosen Platz 24 verdrängt worden. Zu jung und zu extrem sei er: obwohl schon einige AfD- und JA-Treffen in der Gothia-Villa in Zehlendorf stattfanden und Sobolewski für den Sicherheitsdienst auf Parteitagen sorgt, bangt man um den sowieso schon schlechten Ruf der Partei.
Alles in allem keine sonderlich „bunte Truppe“, die sich Chancen auf einen Parlamentssitz ausrechnet:
1. Georg Pazderski (Treptow-Köpenick): Oberst a.D, Vorsitzender Landesvorstand, ehm. AfD-Bundesgeschäftsführer
2. Karsten Woldeit (Lichtenberg): Berufssoldat a.D., ehm. CDU, Bezirksvorstand, AfD-Wahlkampfkoordinator
3. Ronald Gläser (Pankow): Junge Freiheit-Redakteur, ehm. FDP, Landesvorstand
4. Hans-Joachim Berg (Steglitz-Zehlendorf): Rechtsanwalt, ehm. CDU, Bezirksvorstand
5. Frank-Christian Hansel (Tempelhof-Schöneberg): Immobilienbranche, Wirtschaftsförderung, ehm. Freie Wähler, Bezirksvorstand, Landesvorstand, ehm. AfD-Bundesgeschäftsführer, ehm. Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Brandenburger Landtag
6. Kristin Brinker (Steglitz-Zehlendorf): Immobilienbranche, Frau des ehm. Landesvorsitzenden Günter B. J. Brinker
7. Harald Laatsch (Steglitz-Zehlendorf): Unternehmensberater, ehm. Landesvorstand, ehm. Bezirksvorstand
8. Martin Trefzer (Treptow-Köpenick): Finanzdienstleister, Sudetendeutschen Gesellschaft e.V., Bezirksvorstand, Landesvorstand.
9. Thorsten Weiss (Reinickendorf): Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Potsdamer Stadtrat, Berufssoldat a.D., ehm. CDU, JA-Landesvorstand, AfD-Landesvorstand
10. Gottfried Curio (Steglitz-Zehlendorf): Physiker (lehrt u.a. an der HU), Autor „Freie Welt“, Bezirksvorstand
11. Carsten Ubbelohde (Charlottenburg-Wilmersdorf): Zahnarzt, ehm. CDU, Bezirksvorstand, Landesvorstand
12. Jeannette Auricht (Marzahn-Hellersdorf): Bezirksvorstand, Landesvorstand
13. Marc Vallendar (Charlottenburg-Wilmersdorf): Rechtsanwalt, ehm. FDP, Burschenschaft Obotritia Berlin, Bezirksvorstand, JA-Vorstand
14. Franz Kerker (Mitte): Vertreter für Krankenversicherungen, ehm. CDU, Sängerschaft Borussia, Bezirksvorstand
15. Hugh Bronson (Charlottenburg-Wilmersdorf): Sprachlehrer, Bezirksvorstand, Landesvorstand
16. Andreas Wild (Steglitz-Zehlendorf): Arbeitsvermittler, ehm. CDU, ehm. FDP, Bezirksvorstand
17. Dieter Neuendorf (Reinickendorf): Hautarzt, AfD-Bundes- und Landesfachausschüsse für Außen- und Sicherheitspolitik, Bezirksvorstand
18. Herbert Mohr (Pankow): Physiotherapeut, JA-Vorstand, Bezirksvorstand
19. Hanno Bachmann (Pankow): Bankenaufsicht, ehm. Die Freiheit, AfD-Bundesfachausschuss Integration, Bezirksvorstand
20. Frank Scheermesser (Friedrichshain): Immobilienbranche, ehm. CDU, ehm. FDP, Bezirksvorstand
21. Tommy Tabor (Reinickendorf): Bezirksvorstand
22. Sabine Gollombeck (Steglitz-Zehlendorf): Bezirksvorstand
23. Sebastian Baetke (Tempelhof-Schöneberg): Immobilienbranche
24. Jörg Sobolewski (Steglitz-Zehlendorf): Student (Jura), Gothia, ehm. SPD
25. Volker Graffstädt (Steglitz-Zehlendorf): Steuerberater, ehm. CDU, ehm. FDP, JF-Autor, Vorstand im Christian Wolff – Bildungs-Werk e.V., Bezirksvorstand
26. Paul Naacke (Charlottenburg-Wilmersdorf): Rechtsanwalt
27. Christian Buchholz (Pankow): Unternehmensberater, Berufssoldat a.D., Bezirksvorstand
28. Hermann-Josef Merting (Tempelhof-Schöneberg): Pflegefachkraft, ehm. Piraten, Bezirksvorstand
29. Karl-Friedrich Weiland (Tempelhof-Schöneberg): Rechtsanwalt, ehm. FDP, ehm. Freie Wähler, ehm. Landesvorstand
30. Jörg Kapitän (Neukölln): BVG-Mitarbeiter, Verein zur Förderung der deutschen Sprache (VDS), Bezirksvorstand
31. Beate Prömm (Mitte): ehm. Piratin, Bundesfachausschuss „Direkte Demokratie“
32. Thorsten Dehne (Charlottenburg-Wilmersdorf): Unternehmensberater, ehm. CDU
33. Peer-Lars Döhnert (Steglitz-Zehlendorf): Projektentwickler, ehm. Junge-Freiheit Vertriebsleiter, Verein Deutscher Studenten (VDSt), Bezirksvorstand
34. Daniel Fiebig
35. Stefan Kröger (Steglitz-Zehlendorf)
36. Yvonne Cremer (Steglitz-Zehlendorf)
37. Andreas Otti (Spandau): ehm. CDU, Bezirksvorstand
Quelle: Indymedia