…Und was daraus jetzt für die antifaschistische Bewegung folgen kann
Geschrieben von Antifaschist*innen aus der NIKA Kampagne
1. Die Empörung nach Erfurt war ein Abwehrerfolg – der Terror in Hanau und die brutale Abschottung gegen Geflüchtete in Griechenland durch Frontex und Co zeigt wie wenig er letztlich wert ist: Rassismus mordet auch ohne Regierungsmacht. Das macht deutlich: Der Kampf geht weiter.
2. Erfurt war kein Unfall. Es war der erste Versuch eine sozialdemokratische Landesregierung mit den Stimmen der AfD zu stürzen – und nebenbei CDU und FDP eine Machtoption zu eröffnen, die auf die Krisen des Neoliberalismus mit offener Faschisierung antwortet.
3. Auch wenn Rechte den Dammbruch in Erfurt feiern – das war er (noch) nicht. Der Aufschrei war zu groß und ihre Vorbereitung zu schlecht.Wir sollten nutzen, dass sich die rechten Netzwerke selbst geoutet haben und da nachtragend sein. Erhöht den Preis fürs nächste Mal.
4. Der rassistische Terror in Hanau macht deutlich, dass die jahrelange Hetze von AfD und Co – und ihre Übersetzung in „Sicherheitspolitik“ gegen MigrantInnen (shishabars und clankriminalität) durch SPD/Union und Medien wie Bild und Focus die Opfer markiert und zu Mord führt.
5. So irre der Terror wirkt, zielt er auf einen „ethnischen Bürgerkrieg“, den wir durchkreuzen müssen, indem wir gegen die Spaltung der Rechten (AfD wie Graue Wölfe) eine tatsächliche Verbindung stellen. Auch deshalb ist Migrantifa das Gebot der Stunde.
6. Für die Angehörigen ist das kein Trost, aber Hanau hat auch gezeigt, dass die migrantische Gesellschaft sich verteidigen kann. Die Versuche der Entpolitisierung des Terrors sind auch daran gescheitert. Klar ist: Konsequenter Antifaschismus muss heute Migrantifa heißen.
7. Migrantifa richtig machen heißt die Betroffenen nicht alleine lassen, Kontakte aufzubauen, dran zu bleiben und eigene Rituale zu überdenken. Wir können und müssen noch viel lernen. Das geht am besten durch gemeinsame Praxis.
8. Der Erfolg der Gegenmobilisierung ist auch inhaltlich: Dass die AfD eine faschistische Partei und die Hufeisentheorie des VS großer Mist ist, sieht inzwischen auch die Zivilgesellschaft. Hier heißt es dran bleiben: Es gibt keine „Mitte“ zwischen Faschismus und Antifaschismus.
9. Aber: Die Gefahr bleibt. AKK ist weg, Merz versuchts und die Gründe für den Drift ins Autoritäre wachsen: Im rauen Wind der Standortkonkurrenz liegen „Mitte“ und rechter Rand nahe beieinander. Schon ohne manifeste Krise ist Faschismus eine Option, auch für Teile des Kapitals.
10. Die Gefahr bleibt II: Die Terrorgefahr von rechts bleibt hoch. Auch weil sich an NSU-Netzwerken und Verfassungsschutz, sowie der Stimmungsmache aus der vermeintlichen Mitte (Merz: Clankriminalität) wenig geändert hat. Von der Situation an der EU-Außengrenze ganz zu schweigen
11. Es braucht jetzt mehr als Moral: Wir brauchen konkrete Forderungen und Maßnahmen. Das Mindeste: VS abschaffen, Nazis und Wutbürger entwaffnen, NSU-Akten offen legen. Und: Nicht auf Polizei und Parlamente verlassen, sondern den antifaschstischen und antirassistischen Selbstschutz organisieren!
12. Rechte Strategie ist weiter: Aus dem »mit Rechten reden« im Feuilleton soll, wenn Merkel weg ist, »mit Rechten regieren« werden – und nach dem Versuch mit Höckes „Flügel“ und Hanau wirkt alles Weitere eh wie das kleinere Übel. Diese Normalisierung müssen wir verhindern.
13. Ein zentrales Instrument der Normalisierung des neuen Faschismus ist der Antikommunismus und die Rede von einer „bürgerlichen Politik“. Er funktioniert, weil Umverteilung und Veränderung im Zweifel für Teile des Bürgertum als die größere Bedrohung erscheinen.
14. Der neue Faschismus ist kein Modernisierungsprojekt sondern ein Verfallsprodukt. Sein autoritärer Staat zielt auf die Verteidigung relativer Privilegien im Innern und nationale Abschottung nach außen. Er wirkt auch ohne Regierung – die AfD macht die Hetze,die Mitte die Gesetze
15. Auch das zeigt das brutale Vorgehen von Frontex und Co an der griechisch-türkischen Grenze: Das rechte Framing Kontrollverlust für die Inanspruchnahme des Asylrechts hat sich durchgesetzt. Indirekt sitzt die AfD längst mit im Kabinett.
16. Dass nationalistische Linke in den Chor einstimmen und warnen, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, zeigt, wie wenig sie begriffen haben: Der Aufschwung der Rechten damals war keine schiefe Reaktion auf reale soziale Probleme – er ist der Versuch sie zu Verewigen.
17. Für Austerität, Klimakatastrophe und Erdogan-Deal brauchte es allerdings keine AfD, das kriegt die Merkel-Mitte alleine hin. Hier liegt eine weitere Gefahr: Dass es schwarzgrün so weiter geht. Denn wer immer nur das Schlimmste verhindern will, wird es mit Sicherheit bekommen
18. Daher ist die Frage nun nicht, ob der nächste Versuch für einen Dammbruch 2021 in Sachsen-Anhalt gestartet und ob es wieder rassistische Angriffe geben wird, sondern: Wie und wo kommen wir von links endlich in die Offensive? Nur dann wird es kein nächstes Mal mehr geben.