Im Rahmen des Bündnis Ihr seid keine Sicherheit mobilisieren auch wir als NIKA am 16. Juli 2022 nach Güstrow zu einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto „Wir sind 25.000 – Rechte Netzwerke in Justiz, Polizei und Militär zerschlagen!“. Im Folgenden findet ihr den Aufruf:
Wir sind 25.000 – Rechte Netzwerke in Justiz, Polizei und Militär zerschlagen!
Todesdrohungen und Gewaltfantasien, die Verharmlosung des Nationalsozialismus und menschenverachtende Witze über Geflüchtete oder Jüd:innen: Quer durch die Bundesrepublik wurden in den vergangenen Jahren rechte Chatgruppen aufgedeckt, die das Ausmaß und die Gewaltbereitschaft von faschistischen Netzwerken in den Sicherheitsbehörden deutlich machten. Was haben sie alle gemein? Ihre Mitglieder sind meist weiße Polizist:innen und Soldat:innen – bewaffnete Faschist:innen im Staatsdienst.
Für internationale Schlagzeilen sorgten die Enthüllungen um das sogenannte Hannibal-Netzwerk im Jahr 2017. Deutschlandweit organisiert, bereiteten sich mindestens 150 Personen darauf vor, am sogenannten Tag X politische Gegner:innen zu töten. Der Tag X markiert den vermeintlich drohenden Zusammenbruch der sozialen Ordnung, der in ihrer Logik jede Gewalt legitimiert, die dem Schutz des „Eigenen“, also des „Deutschen“ dient. Hierbei befinden sich all jene im Fadenkreuz, die nicht in ihr geschlossenes faschistisches Weltbild passen oder sich dagegenstellen. Auf ihren Todeslisten standen 25.000 Namen von Journalist:innen, Antifaschist:innen und weiteren politischen Feind:innen.
Auf den deutschen Staat ist bei der Überwachung, Aufklärung und Verurteilung rechter Netzwerke kein Verlass!
In der regionalen Chatgruppe Nordkreuz aus dem Raum Mecklenburg-Vorpommern, gab es beunruhigend konkrete Pläne zu Treffpunkten, konspirativen Wohnungen oder zum Erwerb von Bundeswehrgeräten. Politische Feind:innen wurden ausgespäht, personenbezogene Informationen an Polizeicomputern abgefragt und auf den Todeslisten notiert. Zu den bereits gehorteten Waffen und zehntausenden Schuss Munition sollten außerdem 200 Leichensäcke und verätzendes Löschkalk zur schnelleren Auflösung der Leichenteile bestellt werden.
Nach den Enthüllungen gerieten auch der bis heute existierende Schießstand Großer Bockhorst in Güstrow sowie dessen Betreiber Frank Thiel für kurze Zeit ins Blickfeld. Der Schießstand bildete ein infrastrukturelles Rückgrat der bundesweiten faschistischen Vernetzung und Bewaffnung. In Kooperation zwischen staatlichen Sicherheitsbehörden und Thiels privatem Waffenhandels- und Ausbildungsunternehmen Baltic-Shooters wurden Schießübungen und Spezialtrainings durchgeführt. Dadurch konnten sich die Faschisten des Nordkreuz-Netzwerks mit tatkräftiger Unterstützung von Soldat:innen und Polizist:innen tausende Schuss scharfe Munition aus Behördenbeständen beschaffen.
Der Recherche zum Trotz blieben der gesellschaftliche Aufschrei sowie staatliche Konsequenzen weitestgehend aus. Alle Nordkreuz-Mitglieder befinden sich weiterhin auf freiem Fuß und kamen mit Bewährungsstrafen davon. Eine systematische Aufarbeitung gab es nicht – die faschistischen Strukturen in und um Nordkreuz bleiben gedeckt. Im Gerichtsprozess gegen den Chat-Admin und Organisator von Nordkreuz, Marco Groß, und in der medialen Berichterstattung verfängt immer wieder die Erzählung einer harmlosen Gruppe von Prepper:innen als hätte es keine konkreten Vorbereitungen für politische Morde gegeben.
Nicht erst seit der finanziellen Unterstützung des NSU durch den Verfassungsschutz sowie der anschließenden rassistischen Kriminalisierung der Betroffenen durch die Polizei ist klar: Von deutschen Sicherheitsbehörden geht eine tödliche Bedrohung aus. Sie begünstigen aufgrund ihrer Struktur und durch eine Praxis der Vertuschung, Verharmlosung und Leugnung rechtsmotivierter, rassistischer Taten das Entstehen rechter Netzwerke und deren menschenfeindlichen Terrors. Nordkreuz zeigt uns auf bitterste Weise, dass aus der gescheiterten und verhinderten Aufklärung des NSU nichts gelernt wurde.
Rassismus und Männerbündelei sind Teil der inneren Logik von Sicherheitsbehörden
Erst kürzlich wurde beschlossen, 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr zu stecken – und damit in eine von Nazis durchsetzte Institution, die sich dort sorgenlos mit Waffen und Munition eindecken können. Ebenso wie Polizei, Verfassungsschutz und Co. hat die Institution Bundeswehr die zentrale Funktion, die bestehende Ordnung, den rassistisch-patriarchalen Kapitalismus, zu schützen. Gewalt gegen von Armut betroffene Menschen, die Kriminalisierung von linken und sozialen Bewegungen sowie Rassismus und Nazis in den Behörden sind keine Begleiterscheinungen, sondern machen eben diese Strukturen aus. Das bedeutet, Polizei und Militär sind für große Teile der Gesellschaft kein Freund und Helfer. Der Staat und seine Sicherheitsbehörden schaffen keine Sicherheit!
Die staatlichen Reaktionen auf die Aufdeckung faschistischer Gruppen in Polizei und Militär, ob es sich um die Auflösung eines KSK-Bataillons oder die Verurteilung von Marco G. wegen des Verstoßes gegen das Waffenkontrollgesetz handelt, greifen zu kurz. Das Problem liegt in den Strukturen der bewaffneten Institutionen selbst: In ihnen herrscht eine Kultur der soldatischen Männlichkeit. Sie basiert unter anderem auf der Unterwerfung eines als gefährlich und kriminell markierten Gegners. Die sogenannte Cop Culture verlangt Konformität in der Einheit, auch im Falle von menschenfeindlichen Gewaltexzessen. Im Alltag besteht eine zentrale Aufgabe der Polizei darin, Menschen als „Andere“ zu markieren, beispielsweise durch rassistische Polizeikontrollen. Soldatische Männlichkeit, Rassismus und Männerbündelei sind auch zentrale ideologische und organisatorische Bausteine des Faschismus. Es überrascht daher nicht, wenn Faschisten von den bewaffneten Institutionen angezogen werden. Nur eine grundsätzliche Hinterfragung dieser Institutionen und ihrer Strukturen könnte daher dem Problem von an der Waffe ausgebildeten Faschist:innen entgegenwirken.
Unsere Antwort: Solidarität und Widerstand
Wir machen uns keine falschen Hoffnungen: Politische Veränderungen erreichen wir am Ende nur durch den gemeinsamen Druck auf der Straße. Betroffene, Angehörige und Unterstützer:innen kämpfen seit Jahrzehnten für Gerechtigkeit. Bundesweit existieren zahlreiche Gruppen und Initiativen, die in allen Fällen rechter Gewalt eine lückenlose Aufklärung sowie Konsequenzen fordern. Für ihr antifaschistisches Engagement werden sie tagtäglich bedroht. Wir lassen unsere Freund:innen nicht allein und halten die Realität faschistischer Bedrohungen und Mordpläne für einen Skandal. Die „Todeslisten“ der Gruppe Nordkreuz zeigen uns, dass wir in einem gesellschaftlichen Klima leben, das eine rechte Vernetzung in den Sicherheitsbehörden begünstigt und uns als Aktivist:innen zur Zielscheibe macht. Wir sind 25.000!
Um gegen rechte Netzwerke vorzugehen, müssen wir uns organisieren und gemeinsam kämpfen. Am 16. Juli gehen wir in Güstrow gemeinsam auf die Straße und klagen das strukturelle Problem der Sicherheitsbehörden an, das hier einmal mehr sichtbar geworden ist. In Gedenken an alle Opfer, in Solidarität mit allen Betroffenen und in dem Wissen, dass Sicherheit nur solidarisch gedacht und umgesetzt werden kann!
Wir fordern..
.. das Ende der Verharmlosung der Gefahr, die von Sicherheitsbehörden ausgeht!
.. die Schließung des Schießplatzes „Großer Bockhorst“ in Güstrow!
.. die Zerschlagung aller rechten Netzwerke in Justiz, Polizei und Militär!
IHR SEID KEINE SICHERHEIT!